Stern der Leidenschaft
Prolog
Brittany Callaghan warf einen kritischen Blick in den Spiegel über ihrem Schminktisch. Mit dem, was sie sah, konnte sie durchaus zufrieden sein. Pailletten glitzerten auf ihrer Bluse und bildeten einen Blickfang, ohne im Geringsten aufreizend zu wirken. Die eher schlichten Schmuckstücke, für die Brittany sich entschieden hatte, und der lange, schmal geschnittene Samtrock, dessen Gehschlitz bereits auf Kniehöhe endete, verliehen ihrer Erscheinung eine elegante Note. Volle zwei Stunden verbrachte sie nun schon mit Ankleiden und Schminken. Eigentlich hatte sie das nicht nötig, denn sie sah von Natur aus blendend aus. Doch der heutige Abend sollte etwas ganz Besonderes werden, und daher verwandte sie mehr Zeit als sonst auf ihre Vorbereitungen.
Sparsam aufgetragenes Make-up brachte den ungewöhnlichen Grünton ihrer Augen wunderbar zur Geltung.
Und Jan, ihre Mitbewohnerin, hatte mit ein paar wenigen geschickten Handgriffen Brittanys schweres, kupferfarbenes Haar gebändigt und aus der schimmernden Pracht eine perfekt sitzende Hochsteckfrisur gezaubert. Selbst in den kritischen Augen der Teilnehmerinnen in Jans Kosmetikkurs hätte dieses Kunstwerk Bestand gehabt.
Jan und Brittany ergänzten einander auf wunderbare Weise. Beide verfügten über Fähigkeiten, die ihrem Zusammenleben nützlich waren. Brittany kümmerte sich um fast alle Reparaturen, die in ihrem gemeinsamen Apartment anfielen, und hielt Jans Wagen in Schuss. Jan hingegen bereitete fast alle Mahlzeiten zu und kreierte aus Brittanys Mähne zu jedem Anlass die passende Frisur. Damit ersparte sie ihr so manche Stunde bei einem teuren Stylisten. Seit nunmehr drei Jahren teilten sie sich das Apartment in Seaview. Dem Namen nach hätte die aufstrebende kleine Stadt eigentlich am Meer liegen müssen, doch die Brandung des mächtigen Ozeans befand sich noch nicht einmal in Sichtweite. In Seaview witzelte man allerdings oft und gern, dass der Ort wohl in weiser Voraussicht so benannt worden sei. Eines Tages würde »das unvermeidliche große Beben« die Küstenlinie schon bis direkt vor die Tore der Stadt ins Inland verschieben. Dieser Scherz mochte Außenstehenden makaber erscheinen, doch wenn man in Kalifornien lebte, gab es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder man betrachtete die häufigen kleinen und größeren Beben mit Gelassenheit und Galgenhumor oder man zog weg.
Seaview war eine der zahlreichen jüngeren Gemeinden, die im Hinterland der großen Küstenstädte am Pazifik wie Filze aus dem Boden schössen. Mit dem Auto brauchte man von hier kaum eine Dreiviertelstunde bis zur Arbeit in einer der pulsierenden Metropolen – für sie war das San Francisco. Gleichzeitig blieb Seaview von den kalten Winden und Küstennebeln, die das gar nicht so sonnige Frisco oft heimsuchten, verschont. Aufgrund des dauerhaft milden Klimas wäre Sunnyview eigentlich der treffendere Name für die kleine Stadt gewesen. Brittany fand es herrlich, eine Mitbewohnerin zu haben, mit der sie sich so gut verstand. Jan war zierlich und meist voller Elan und Lebenslust. Für jeden erdenklichen Zweck hatte sie den passenden Mann zur Hand – und es musste weiß Gott nicht immer derselbe sein. Sie fühlte sich in der Gesellschaft von Männern einfach pudelwohl und hatte gern einen Vertreter des starken Geschlechts um sich, selbst wenn es den Anschein hatte, dass sie keinen richtig ernst nahm. Das Einzige, was man Jan vielleicht vorwerfen konnte, war, dass sie sich ständig mit dem größten Eifer bemühte, ihre Bekannten miteinander zu verkuppeln. Nur weil sie selbst sich nicht auf einen einzigen Mann festlegen konnte, musste das doch nicht gleich für ihre Freundinnen gelten!
Brittany hatte sich dabei als echte Herausforderung erwiesen. Es war gar nicht so einfach, sie an den Mann zu bringen, wenn auch nicht aus den sonst üblichen Gründen. Sie sah sehr gut aus, war intelligent, steuerte einer viel versprechenden beruflichen Zukunft entgegen und steckte sich anspruchsvolle Ziele. Aber sie war nun einmal beinahe zwei Meter groß. Diese auffällige Körpergröße hatte schon in Brittanys Kindheit für Probleme gesorgt. Immer wieder waren ihre Beziehungen zu anderen Menschen dadurch beeinträchtigt worden. Inzwischen machte sie sich gar nicht mehr die Mühe, Freundschaften zu knüpfen und zu vertiefen.
Eine Zeit lang hatte sie sich mit Männern verabredet, die kleiner waren als sie, doch das war nie lange gut gegangen. Früher oder später bekam sie doch nur wieder
Weitere Kostenlose Bücher