Auge um Auge
dann fragte Betty Moody: » Was hat er getan?«
»Es ist schon wieder in Ordnung. Paul hat ihm das Ohr abgehauen, und da haben sie sich davongemacht.« Kate lächelte. »Er hat sich großartig geschlagen.«
Das Schweigen im Raum war mit den Händen zu greifen. »Kate war aber auch nicht übel«, sagte Paul.
»Sieht ganz so aus, als könnte unsere kleine Schwester gut mit Steinen umgehen. Also, Betty, meine Liebe, mach uns bitte eine Flasche Champagner auf. Eine anständige Portion Fleischpastete könnten wir auch gebrauchen.«
Betty hob die Hand und berührte sein Gesicht.
»Ach, Paul, ich hätte es wissen müssen. Sonst noch etwas?«
»Ja, morgen fahre ich wieder nach Sandhurst. Hättest du vielleicht Zeit, mal zu schauen, ob Mutter Hilfe braucht? Übrigens tut es mir Leid, dass das Kind hier eigentlich zu jung ist, um in einem Pub zu sein.«
»Das macht nichts.« Betty öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Bollinger heraus. Sie tätschelte Kate den Kopf. »Komm zu mir hinter die Theke, Mädchen. Dann ist es völlig ordnungsgemäß.« Während sie die Flasche entkorkte, lächelte sie Paul an. »Liegt wohl in der Familie, was, Paul?«
»Ganz recht«, sagte Paul.
Später, nach dem Essen und dem Champagner, führte Paul seine Geschwister über die Straße und durch den Friedhof zum überdachten Eingang der Pfarrkirche von Dauncey, die aus dem zwölften Jahrhundert stammte.
Sie war ein sehr schöner, gotischer Bau mit einer gewölbten Decke. Der Regen hatte aufgehört, und ein wunderbares Licht fiel durch die bunten Glasfenster auf die Bänke und die marmornen Grabsteine und Steinfiguren, die an die lange Linie des Geschlechts der Daunceys erinnerten.
Ihr Adel war schottischer Herkunft. Bis zum Tod von Königin Elizabeth I. hatte das Familienoberhaupt Sir Paul Dauncey geheißen. Als König James VI. von Schottland zu James I. von England wurde, war sein guter Freund Sir Paul Dauncey einer der Männer, die von London nach Edinburgh ritten, um ihm die Nachricht zu überbringen. James I. ernannte ihn zum Earl von Loch Dhu, nach jenem »schwarzen See« oder »Ort des dunklen Wassers« in den westlichen Highlands. Da es dort allerdings meistens an sechs von sieben Tagen regnete, waren die Daunceys verständlicherweise lieber auf Dauncey Place geblieben und hatten das kleine, baufällige Schloss und das Anwesen von Loch Dhu mehr oder weniger sich selbst überlassen.
Der einzige bedeutsame Unterschied zwischen dem schottischen und dem englischen Adelstitel bestand darin, dass der schottische beim Ausbleiben eines männlichen Erben nicht verfiel. Gab es keinen Sohn in der Familie, ging er auf die weibliche Linie über. Als der Earl starb, wurde daher seine Tochter, Pauls Mutter, zur Countess. Paul erhielt vorläufig den Ehrentitel Viscount Dauncey, seine Brüder wurden mit »Honourable« angeredet, und die junge Kate wurde zu Lady Kate. Eines Tages würde Paul der Earl of Loch Dhu werden.
Ihre Schritte hallten, als sie durch den Seitengang schritten. Paul blieb neben einer herrlichen Statue stehen, die einen Ritter in Rüstung neben seiner Dame darstellte. »Ich glaube, er wäre heute zufrieden mit uns gewesen, meint ihr nicht?« Er zitierte einen Teil der Familiengeschichte, den sie alle kannten: »Sir Paul Dauncey, der in der Schlacht von Bosworth für Richard III. kämpfte, sich dann durch die feindlichen Reihen schlug und nach Frankreich entkam.«
»Später hat Henry Tudor ihn wieder ins Land gelassen«, sagte die junge Kate, »und ihm seinen Besitz wiedergegeben.«
»Worauf sich der Wahlspruch unserer Familie bezieht«, fügte Michael hinzu. » Ich kehre immer zurück. «
»Ja, das ist immer so gewesen.« Paul zog Kate zu sich heran und legte den Arm um seine Brüder. »Und immer gemeinsam. Wir sind Rashids und wir sind Daunceys. Immer gemeinsam.«
Er umarmte sie alle leidenschaftlich, und Kate weinte ein wenig und drückte sich an ihn.
Nach seiner Zeit in Sandhurst kam Paul zu den Grenadier Guards, leistete eine Zeit lang Dienst in Nordirland und wurde 1991 vom SAS, dem Special Air Service, einem auf Geheimoperationen spezialisierten Regiment der britischen Armee, im Golfkrieg eingesetzt.
Das war eine bittere Ironie, denn sein Vater war ein
omanischer General und ein Freund von Saddam Hussein. Zu Ausbildungszwecken zu den irakischen Streitkräften abkommandiert, geriet er ebenfalls in den Golfkrieg, wenn auch auf der anderen Seite. Dennoch
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