Auge um Auge
meine Mutter um, indem er betrunken auf der falschen Straßenseite fährt. Die Polizei sagt, er genießt diplomatische Immunität.«
»Leider ja.«
»Ist er nach Moskau zurückgekehrt?«
»Nein, man braucht ihn hier«, erklärte Ferguson.
»Man braucht ihn?«, fragte Paul.
»Der Geheimdienst Ihrer Majestät wird sich nicht freuen, dass ich Ihnen das erzähle, aber mit dem bin ich ohnehin nicht gut Freund. Klären Sie ihn auf, Superintendent.«
»Wie weit soll ich gehen?«, fragte Hannah Bernstein.
»So weit es nötig ist«, sagte Dillon. »Da bringt dieser russische Mistkerl eine großartige Frau um und kommt ungeschoren davon.« Er goss sich noch einen Bushmills ein, prostete Kate zu, wandte sich an Paul Rashid und sagte in gutem Arabisch: »Gatow ist ein Spitzenmann. Wenn Miss Bernstein zögert, sollten Sie ihr das nicht übel nehmen. Sie ist eine empfindsame Seele. Ihr Großvater ist Rabbi.«
»Und mein Vater war ein Scheich«, sagte Paul Rashid auf Hebräisch zu ihr. »Vielleicht haben wir viel gemein.«
Ihr Erstaunen war nicht zu übersehen. »Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll«, erwiderte sie in derselben Sprache.
»Ich schon«, mischte Dillon sich auf Englisch ein.
»Nicht nur die russische Botschaft schützt Gatow vor dem Arm des Gesetzes. Auch die Amerikaner haben ihre Hand im Spiel.«
Eine Pause entstand. »Was bedeutet das?«, fragte Paul Rashid schließlich.
»Wie Sie wissen«, erwiderte Hannah, »treten sich die Amerikaner und die Russen in Südarabien meist als Rivalen gegenüber, aber sie arbeiten auch zusammen, wenn es ihnen nützt.«
»Das ist mir bekannt«, sagte Paul, »aber was hat das mit dem Tod meiner Mutter zu tun?«
Dillon erklärte es ihm, und zwar auf Arabisch.
»Dieser Scheißkerl ist ein Doppelagent. Er arbeitet gleichzeitig für die Amerikaner. Deshalb wollen ihn nicht nur die Russen nicht vor Gericht sehen, sondern auch die Yanks. Er ist einfach zu wichtig.«
»Zu wichtig in welcher Hinsicht?«, fragte Paul Rashid.
Ferguson mischte sich ein. »Die Amerikaner und die Russen arbeiten an irgendeinem großen Ölgeschäft, das Gatow vermittelt hat. Er steckt mittendrin, und es geht um Milliarden.«
»Das stimmt«, sagte Dillon. » Arabia felix, glückliches Arabien, so hat man es früher einmal genannt.«
Kate Rashid, die bislang schweigend zugehört hatte, fragte: »Es geht also um Geld?«
»Offenbar«, sagte Dillon.
»Und damit ihre Geschäfte nicht gestört werden, wollen die Amerikaner und die Russen den Tod meiner Mutter lediglich als eine Unannehmlichkeit behandeln?«
»Als eine ernste Unannehmlichkeit.«
Sie schwieg und warf einen Blick auf ihren Bruder, der nickte. Dann sagte sie: »Vor einigen Tagen ist in der Oase Shabwa etwas sehr Interessantes vorgefallen. Wussten Sie, Brigadier, dass der Sultan von Hazar sich nicht nur mit einer großen amerikanischen Ölgesellschaft verbündet hat, sondern auch mit einer russischen?«
Ferguson runzelte die Stirn. »Nein, das ist mir neu.«
»Zwei Attentäter haben versucht, meinen Bruder umzubringen. Das war in der Nacht, in der wir vom Unfall meiner Mutter erfuhren.« Sie nickte Dillon zu.
»Der eine hätte mich beinahe getötet. Mein Bruder hat mir das Leben gerettet und ihn erschossen.«
»Interessant an der Sache ist Folgendes: Wie wir herausbekommen haben, hatte der Sultan selbst meinen Tod befohlen, und zwar im Auftrag der Amerikaner und Russen«, fügte Paul Rashid hinzu.
Ferguson nickte. »Die Attentäter haben Ihnen alles gebeichtet?«
»Natürlich«, warf Dillon ein.
»Wollen Sie damit andeuten, dass der Tod Ihrer Mutter kein Zufall war?«, fragte Ferguson.
»Nein«, sagte Paul. »Die Polizei hat uns den Unfallhergang genau erläutert und außerdem weiß ich nicht, was diese Hunde durch die Ermordung meiner Mutter gewonnen hätten. Klar ist allerdings, dass ihnen ein Leben nicht viel bedeutet. Ich werde ihnen zeigen, dass wir anders denken.«
Paul stand auf und streckte seine Hand aus. »Herzlichen Dank für die Informationen, Brigadier.« Er wandte sich Dillon zu. »Als ich mit den Guards in South Armagh war, hat ein loyalistischer Politiker einmal zu mir gesagt, Wyatt Earp habe zwanzig Männer auf dem Kerbholz gehabt, während Sean Dillon die genaue Zahl nicht einmal kenne.«
»Eine leichte Übertreibung«, meinte Dillon. »Glaube ich wenigstens.«
Rashid lächelte allen Anwesenden zu und machte dann
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