Auge um Auge
schnell auf und sage zu Ashlin: »Ich ruf dich morgen an.«
»Los, alle im Kreis hinsetzen«, sagt Rennie. »Immer abwechselnd, Junge-Mädchen-Junge-Mädchen. Ashlin, geh und hol die Leute aus dem Jacuzzi.«
Ashlin hält sich kichernd die Hand vor den Mund. »Im Ernst, Ren? Sind wir jetzt wieder Siebtklässler, oder was?«
Rennie blitzt sie an. » Hallo – das ist total retro! Und außerdem hat unser Senior-Jahr angefangen. So was nennt man Erinnerungen schaffen !« Etwas leiser, aber auch nicht wirklich flüsternd fügt sie hinzu: »Übrigens die perfekte Gelegenheit, um ein bisschen mit Derek zu knutschen, Ash.«
Ashlin bekommt rote Flecken im Gesicht, springt sofort auf und rennt los. Von der anderen Seite der Schiebetür höre ich, wie sie die Leute zusammentrommelt.
Ich winke Rennie schnell zum Abschied zu und hoffe, sie merkt es nicht, doch bevor ich verschwinden kann, packt sie mich am Arm.
»Lil, du musst bleiben«, zischt sie und sieht mich bedeutungsvoll an. Sie schaut kurz zurück zu Reeve, dann wieder zu mir. »Bitte! Ich brauch dich.«
»Ich muss nach Hause. Denk an meine Sperrstunde!«
»Es ist Samstagabend! Deine Mom lässt dich doch samstags immer ein bisschen länger weg.« Rennie nimmt meine Hand, und ich weiß, sie wird mich nicht gehen lassen. »Nur bis Mitternacht, okay?«
»Na gut«, sage ich seufzend, »aber ich spiel nicht mit, ich guck nur zu.«
Sie drückt mir dankbar einen Kuss auf die Wange und zieht mich hinüber in den Kreis, der sich bereits gebildet hat.
Alex ist auch schon da, die Haare noch feucht vom Pool. Er sitzt neben Ashlin. Jenn Barnes und Wendy Kamnikar, zwei Juniors, die mit Derek befreundet sind, lassen sich direkt gegenüber von den beiden nieder.
Ich setze mich neben Tyler Klask und PJ , halb außerhalb des Kreises. Ich untersuche gerade meine Haarspitzen auf Spliss, als Rennie »Lillia fängt an!« sagt und mir die Flasche hinüberschiebt.
Ich sehe sie entgeistert an. »Rennie!«
»Sei kein Spielverderber, Lil«, sagt Rennie lächelnd. »Alle spielen mit.« Ich kneife die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, doch sie strahlt mich nur weiter fröhlich an. »Jetzt mach schon und dreh!«
PJ stößt mich leicht an und sagt: »Komm schon, Lil, sag Ja. Sie gibt sonst keine Ruhe.«
Reeve sieht mich verständnislos an und hämmert dann mit den Fäusten auf den Teppich. »Lil-li, Lil-li!« Die anderen fallen sofort ein.
»Gott, seid ihr kindisch!«, sage ich und gucke böse.
Ashlin dreht die Flasche und ruft: »Ich drehe jetzt für Lillia.«
Die Flasche landet bei ... Reeve.
Unsere Blicke treffen sich, und ich spüre, wie mir heiß wird im Gesicht. Gerade will ich Das könnt ihr euch abschminken sagen, da streckt Reeve den Arm aus und dreht den Flaschenhals leicht nach, sodass er auf Alex zeigt.
»Ich glaube, die ging mehr in diese Richtung«, sagt er mit einem müden Lächeln.
»He!«, protestiere ich. »Nachhelfen gilt nicht!«
Alex räuspert sich und witzelt: »Pass auf, ich weiß nicht, was du gehört hast, aber entgegen landläufiger Meinung bin ich nicht ansteckend oder so.«
»Das – das glaube ich ja auch gar nicht! Es ist nur – das war gegen die Regeln.« Ich will Reeve nicht küssen und Alex schon gar nicht. Genau genommen will ich überhaupt niemanden küssen. Vielleicht will ich sogar nie wieder jemanden küssen. Oder doch ziemlich lange nicht mehr.
Reeve zieht eine Augenbraue hoch. »Ich wusste ja noch gar nicht, dass du so scharf auf mich bist, Cho. Ich fühl mich geschmeichelt.«
»Das – das habe ich nicht gesagt, und das weißt du auch«, antworte ich. Ich fühle, wie ich rot werde. Reeve macht das immer so. Er dreht einem jedes Wort im Munde um.
»Reeve, jetzt küss sie endlich«, sagt Derek.
»Drängt sie nicht so, Jungs«, wirft Rennie schnell ein.
Ach nee – auf einmal will sie auf mich aufpassen? Und das soll ich ihr verdammt noch mal abnehmen?
Nur aus diesem einzigen Grund tu ich’s dann doch.
Obwohl mir fast die Luft wegbleibt, rutsche ich mitten in den Kreis. Ich knie mich hin und lege die Handflächen fest auf den Boden, um mich abzustützen.
Reeve beugt sich ganz, ganz langsam vor, er zögert den Moment so lange hinaus, wie es geht. Dabei grinst er sein heimtückisches, selbstzufriedenes Grinsen, das ich so hasse. Ich spüre, wie sich Panik in mir breitmacht, aber ich reiße mich zusammen, um bloß nicht zurückzuzucken. Wenn ich jetzt vor allen ausraste, werden sie sich fragen, warum, und das kann ich nicht
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