Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Überwältigend“, fand Vell, „ und noch keine Ratte.“ „ Dann hilf mir, es wird gleich noch besser.“
Willet hatte die Idee, das Bett direkt unter das kaputte
Dachstück zu schieben. Und so erfreuten sie sich bald eines
knappen,
aber
gelungenen
Ausblicks.
Der
Nachthimmel
über ihnen leuchtete und Vell rollte sich wie eine Katze in
seinen Arm.
„Was ist das für ein Sternbild?“
„Die tanzende Hydra. Sie ist der wichtigste Navigationspunkt
am südlichen Nachthimmel.“
„Woher weißt du das alles?“
„Von meinem Vater. Er hat mir die Sterne erklärt, als ich klein
war.“
Willet hatte den Mumienarm um ihre Hüften gelegt und
wand sich ihr zu. Dabei wurde ihr klar, dass sie ihn immer
noch scharf sah, so deutlich, wie am Tag..
„Was ist los?“, fragte Willet.
„ Nichts, meine Augen, sie…
Sie werden schärfer, immer dann, wenn ich mich bedroht
fühle.“
„Und ist das so?“
„ Vielleicht etwas “ , gestand sie verlegen.
Sein Blick war schelmisch.
„Das sind deine Instinkte “, erklärte er, „s ie warnen dich, wenn
du in Gefahr bist.“
„Aber das bin ich nicht, oder?“
„Nein“, versicherte Willet, „ du bist längst schon verloren.“ Er stahl ihr Lächeln und nahm sie gefangen.
„ Warte“, bat sie.
Aber ihre Lippen gehorchten ihm. Und es blieb ihr nichts
andres übrig, als sich ihm ganz zu überlassen.
*
An einem anderen Ort endete gerade das Theater.
Hanora eilte die Treppen hinunter. Zwei ihrer Leibwächter
kamen ihr entgegen. Sie folgte ihnen zur Kutsche und stieg
hinein. Hier war es dunkel. Die Wagentür schloss sich. Sie
wollte alles vergessen. Die missratene Vorstellung und ihre
beendete Affäre. Ihr Liebhaber war tot und sie trug schwarz,
wenigstens noch für eine Weile.
Geschäftig kramte sie in ihrem Mantel und holte ein kleines,
silbernes Döschen hervor. Sonst bewahrte sie darin immer
etwas Rauschkraut auf, doch heute brauchte sie ein weißes
Pulver aus Übersee. Mit einem schmalen Bambusröhrchen
zog sie es in ihre Nase. Es fraß sich in ihren Kopf und ließ
die Gedanken verstummen. All die Schmach, die Pein, die
Ungnade. Das weiße Pulver wirkte. Jetzt ging es ihr besser,
viel besser.
Die Kutsche holperte über das Pflaster.
Sie sah die Fassaden der Stadt. Lichter hinter stumpfem
Fensterglas. Es war spät und sie war alleine. Das Leben kam
ihr längst wie ein Spiel vor.
Alles war nur eine Frage der Zeit, eine Frage des richtigen
Moments. Bis sie irgendwann alles bekam. Alles was sie
verdiente, alles was sie ersehnte...... Sie würde über ihre
Feinde
triumphieren
und König
Ethnagard in
die Knie
zwingen. Schon bald.
Plötzlich wieherten die Pferde. Ruckartig kam die Kutsche
zum Stillstand. Hanora fiel zur Seite. „ Verdammt !", fluchte
sie. Ihre Dose war fort und das neue Kleid ruiniert. Wütend
lehnte sie sich aus dem Kutschenfenster „ Ihr Idioten! Was ist
da los?“.
Jemand stand mitten auf der Straße und blockierte die
Weiterfahrt. Der Mann war hochgewachsen. Und trug eine
schwarze Kapuze.
In seiner rechten Hand hielt er einen geschliffenen Dolch
und in der Linken ein langes Messer.
„ Aus dem Weg!“ , brüllte sie, „ verschwinde!“
Der Mann hob den Kopf und blickte in ihre Richtung. Sein
Gesicht war schwarz. Er kam auf sie zu.
„ Halt!“ , riefen die Wachen.
Sie sprangen vom Kutschbock und zogen die Waffen.
Aber der Mann ließ sich nicht aufhalten. Hart prallten ihre
Klingen
aufeinander
und wurden
zurück geworfen.
Er
kämpfte wie eine Schlange und stieß unverhofft zu. Mit
seiner
blanken
Schneide zerschlitzte er
dem ersten
die
Kehle.
Seine Bewegungen
waren
schnell und präzise.
Hanora war
erstarrt,
voller Entsetzen
und
sah
wie
ihr
nächster Mann fiel. Eine Klinge ragte aus seiner Brust. Der
Mann in schwarz hatte ihn von hinten aufgespießt.
Hanora kreischte und riss die Kutschentür auf. Ihr letzter
Leibwächter war noch bei ihr. Und sie stürzten eine schmale
Gasse hinunter. „ Hilfe!" brüllte sie, „ zu Hilfe!"
Ihr Beschützer blieb zurück, um sich dem Verfolger zu
stellen.
Singend
trafen
sich
ihre
Klingen.
Mit
schweißgebadetem Antlitz wehrte sich der Soldat seiner
Haut. Doch die Hand des Fremden war schneller. Gleich
einer Schere, durchbohrten die Klingen sein
Fleisch.
Er
spukte Blut und stürzte zu Boden.
„ Hilfe!", brüllte Hanora.
Sie sah eine Tür und versuchte, sie aufzureißen. Vergeblich.
Mit dem Mut der Verzweiflung zog sie die Klinge aus ihrem
Spazierstock und drehte sich um.
Doch er stand bereits hinter
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