Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Mantelkragen und gesenktem
Kopf näherte er sich den Schließfächern und entnahm dem Schließfach 201 das
Erkennungszeichen.
Von der Flughafen-Cafeteria aus rief Schukow die
vom Label auswendig gelernte Telefonnummer an.
„Inkasso und Safty-Service, Berlin, Heinrich am
Apparat“, meldete sich eine männlich Stimme.
Es waren genau die vereinbarten Erkennungsworte,
die er vor Tagen per Internet genannt bekommen hatte.
„Hier ist Dimitri“, antwortete Schukow
verabredungsgemäß in Russisch und fügte hinzu, „treffen in einer Stunde in der
Cafeteria, Flughafen Tegel. Bestellen Sie vom zweiten Tisch links neben dem
Eingang ein Fürst-Pückler-Eis mit Sahne, ich werde mich dann zu Ihnen an den
Tisch setzen, und vergessen Sie nicht das Erkennungszeichen“.
Außerhalb der Cafeteria war für Besucher eine
Wartezone eingerichtet worden. Von einem bequemen Einzelsitz aus konnte Schukow
durch die Verglasung das Treiben im Lokal beobachten und hatte gleichzeitig den
Ein- und Ausgang zum Warteraum im Auge. Es war ein ständiges Kommen und Gehen.
Menschen aller Nationalitäten zogen an ihm vorüber. Eine Gruppe Muslime mit
Betperlen gewappnet und in weiße fließende Dschellabas gehüllt zog an ihm
vorbei. Die Ehefrauen, tief verschleiert, folgten ihren Männern im
respektvollen Abstand. Ihre Burkas gaben nur ihre Stirnpartien frei. Langeweile
beschlich Schukow, wie lange würde dieser Heinrich noch brauchen, um hier zu
erscheinen? Es herrschte ein babylonisches Sprachgewirr. Russische Laute konnte
Schukow nicht hören.
Dann, ein dandyhaft gekleideter junger Mann,
fast noch ein Jüngling, höchstens Anfang dreißig, vielleicht ein wenig
’drunter, in Begleitung einer gut zehn Jahre älteren, gertenschlanken, mit
langen Lackstiefeln und kurzer Pelzjacke bekleideten Frau, die ihre Jahre unter
einem zu dick aufgetragenen Make-up zu verbergen suchte, betrat die Wartehalle.
Mit diesem Habitus und den langschäftigen
Lackstiefeln würde diese verhinderte Dame in jedem Eroscenter eine gute Figur
als Domina abgeben, dachte Schukow alias Wagner spöttisch.
Das Jüngelchen verabschiedete sich mit Küsschen
von seiner älteren Begleiterin, schlüpfte durch die Tür in die Cafeteria und
setzte sich an den zweiten Tisch links neben dem Eingang. Hatte es sich
verlaufen oder war es tatsächlich sein Kontaktmann in Deutschland, auf den er
wartete.
In der Tat, er war es, der Ober servierte nach
wenigen Minuten ein Fürst-Pückler-Eis mit Sahne.
Schukow überlegte, ob er den Kontakt mit dieser
Kanaille aufnehmen sollte. Sein Inneres, sein Bauchgefühl, rebellierte gegen
einen Kontakt. Stets war dieses Gefühl ein guter und verlässlicher Indikator
für die Wirklichkeit und für die Zukunft gewesen. Das Verhalten dieses Menschen
war viel zu sehr auf Außenwirkung angelegt. Ein Umstand, der bei einem solchen
Vorhaben fatale Folgen nach sich ziehen könnte. Vielleicht sollte er den
Auftrag sausen lassen. Aber Fakt war, er brauchte das Geld für sich und seine
Familie.
Indes stolzierte die verhinderte Domina vor der
Cafeteria auf und ab und ließ dabei ihren Begleiter nicht aus den Augen. Wenn
das eine Observation sein sollte, war sie einfach nur dilettantisch,
ausgesprochen stümperhaft aufgezogen, dachte alias Wagner mit bitterem Spott.
In seiner Manteltasche befummelte er den
zerbrochenen Knopf, der nicht zufällig in seiner ursprünglichen Gänze mit
seinen Mantelknöpfen ein identisches Aussehen hatte.
Den halben Knopf in der Hand stellte er den
Kontakt her und setzte sich mit dem Rücken zur Wartezone an den Tisch.
Mit kauderwelschendem Deutsch: „Ich Dimitri, du
Henri sein,“ sprach er den Eis essenden Gast an.
„Heinrich,“ verbesserte der Blender und legte
das Erkennungsstück mit einer gönnerhaften Geste auf den Tisch.
Passgenau ergänzten sich die Bruchstücke zu
einem ehemaligen Ganzen. Schukows Kontaktmann in Deutschland hatte sich
einwandfrei identifiziert.
Ein Gefühl der Beklemmung legte sich auf Wagners
Brust, ihm war nicht wohl, sollte er diesem Menschen das erste Kuvert mit
50.000 Mark aushändigen? Auf Gedeih und Verderb wäre er diesem Typ zwar nicht
ausgeliefert, er würde im Hintergrund bleiben. Aber eine Zusammenarbeit war
unumgänglich. Dieser eingebildete Pinsel könnte ihn, wenn überhaupt, nur
unzulänglich beschreiben, was Schukow mit seinem Dutzendgesicht nicht besonders
beunruhigte. Fraglich war nur, ließ sich dieser Kerl an einer langen Leine
führen, oder stand ihm sein Machogehabe im
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