Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Als Hanson die Augen aufschlug, wusste er nicht, was
ihn geweckt hatte. Dann nahm er ihn wahr, den Duft ihrer Haare und die Haare
selbst, die in seiner Nase kribbelten. Rebecca hatte ihren Kopf auf seinen
rechten Oberarm gebettet und atmete tief und gleichmäßig. Ihre prallen Brüste
hoben und senkten sich im Gleichklang ihres Atems. Nicht bewegen dachte er und
fürchtete der Zauber der vergangenen Stunden könnte bei Rebecca verflogen sein,
würde sie jetzt erwachen.
Vorsichtig und zärtlich legte er seinen Arm
frei, um ins Bad zu gehen. Im Spiegel erblickte er sein Spiegelbild, er sah es
nachdenklich an, seine Gedanken ließen ihn die vergangene Nacht noch einmal
erleben. Dann kehrten seine Augen wieder zu seinem Spiegelbild zurück. War er
es wirklich? Seit Hellens Tod hatte er solch ein Spiegelbild nicht mehr
gesehen. Wo waren seine Sorgenfalten? Hatten sie sich in Lachfalten gewandelt.
Auch schien es, als sei seine jugendliche Frische wieder zurückgekehrt. Was war
mit ihm geschehen? War es der Sex, war es die Liebe, was hatte ihn verändert?
Warum fühlte er sich plötzlich jung und rundum wohl? Es war ein Wohlgefühl zum
Suhlen.
Als aus der Küche das Röcheln der Kaffeemaschine
mit dem lange vermissten Klappern von aufgetragnem Geschirr an sein Ohr drang
und der Duft frischgebrühten Kaffees um seine Nase strich, war er vom Glück
gesättigt und wähnte sich wieder Daheim. Endlich, die grauen Tage waren
Vergangenheit.
Kapitel 74
Tschetschenien, Grosny, 24.06.1995, kurz nach
Morgengrauen
Die Feuersbrunst hatte große Teile der Stadt
verheert. Die Fratze des Krieges hatte sich über Tschetscheniens Hauptstadt
geneigt. Schwarzgrauer Rauch legte sich über die Stadt und verdunkelte nicht
nur das Sonnenlicht, nein, auch das Atmen in den zerstörten Straßenzügen wurde
erschwert und ließ die Schreie und das Wehklagen der Verschütteten leiser
werden. Vermummte, die mit Tüchern ihre Atemwege vor dem beißenden Qualm zu
schützen suchten, hasteten oder schlurften verwundet durch die Trümmer.
Allenthalben ragten aus der gemarterten Stadt langhalsige Fabrikschlote aus den
Trümmern der zerbombten Häuser hervor. Wie Stützen hielten sie die wenigen noch
stehenden Mauern. Jenseits des Sunsha-Ufers hatten Napalm- und Phosphorbomben
ausgebrannte Häuser mit schwarzverrußten Fensterhöhlen hinterlassen, in denen
vereinzelt apathische Gesichter zu sehen waren, die das über sie
hereingebrochene Unglück nicht verstehen konnten. Am schlimmsten aber war der
Gestank des verbrannten Fleisches der verkohlten Leichen. Schließlich stellte
die russische Luftwaffe ihre Angriffe ein, um einer Panzerbrigade, die Grosny
eingekesselt hatte, das Feld zu überlassen. Zigtausend Granaten aus ihren
Geschützrohren ließ sie auf die Stadt hageln. Radio- und TV-Sender lagen schon
seit Stunden in Schutt und Asche. Als auch das Pressehaus schwer beschädigt
wurde, gab es keine Chancen mehr, die Grosny-Prawda rechtzeitig auszuliefern.
Für Grosnys Bürger waren somit alle Informationsquellen versiegt. Endlich, der
einsetzende leichte Nieselregen hielt den Ruß und den Staub nieder, so dass man
wieder tief durchatmen konnte. Dann gab der seichte Regen den Blick auf die
zerstörte Stadt frei. Im Süden der Stadt gab es weder Haus- noch Mauerruinen,
stattdessen umso mehr Schutt und Schuttmuren, die fast alle Straßenzüge unter
sich begraben hatten. Die wenigen Baumkronen waren durch die Druckwellen der
Bomben entlaubt und durch die Brände schwer angekokelt.
Ausgeglühte Stahlträger ragten aus der Hölle in
die Höhe und markierten die zerbombten Brücken, die einstmals die Sunsha
überspannten und die Stadtteile miteinander verbanden. Soweit das Auge reichte,
Trümmer, Schuttberge, Ruinen, Bombentrichter und noch mehr Bombenkrater und
Geröll. Die Flüchtlinge, eine tausendköpfige Menschenmenge aus alten Männer,
sieche Frauen und Mütter mit ihren Kindern, wälzten sich ziel- und
orientierungslos durch die engen mit Schutt und Geröll verschütteten Straßen.
Nach dem Bombardement rückten zu allem Überfluss
nun auch noch mehrere Infanteriebataillone in die Stadt ein, verhängten eine
nächtliche Ausgangssperre und drohten jeden Passanten zu erschießen, der in der
Sperrzeit aufgegriffen wurde. Schicksalsergeben und apathisch folgten die
Flüchtlinge den Weisungen der russischen Soldaten, machten kehrt und brandeten
auf die nachströmenden Menschen. Es war wohl nur der hohen Leidenfähigkeit der
Menschen zu verdanken,
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