Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
soll´s , dachte Wolff, mundus vult decipi,
die Welt will betrogen werden.
Nun gut, dachte Wolff, und widmete sich den weit
aus ernsteren Berichten über Grosny. Mit Entsetzen musste er zur Kenntnis
nehmen, dass die russische Armee mit äußerster Brutalität über die
tschetschenische Hauptstadt hergefallen war, und dass in den vergangenen Tagen
über dreitausend Tote gezählt wurden.
In medialer Eintracht verurteilte die Weltpresse
die menschenverachtende Rücksichtslosigkeit mit der Russland im Kaukasus den
Status quo zu zementieren suchte. Niemals würde Russland auf das kaukasische Öl
verzichten, war sich unisono die westliche Presse einig.
Gleichwohl, Wolffs schlechtes Gewissen blieb.
Den kausalen Zusammenhang mit dem Telefonat das er mit Pavel führte, konnte
Wolff nicht leugnen. Nichts half, auch wenn die Hysterie der liberalen Presse
in wenigen Wochen verklungen war, wusste Wolff, er hatte eine Riesenschuld auf
sich geladen.
Kapitel 76
Moskau, Hotel „Petersburger Eremitage“, Kleiner
Sitzungssaal, ein halbes Jahr später
Es half nichts, der neue Vorsitzende nahm den
Holzhammer und hieb mehrmals auf die Tischplatte. Langsam legte sich der Tumult
und die Ruhe kehrte zurück.
„ ... es gibt nichts zu beschönigen, Schukow hat
nicht die Erwartungen erfüllt, die wir in ihn gesetzt hatten. Entweder war das
Schicksal gegen uns, oder die Polizei in Kiel war einfach zu gut. Es war schon
eine reife Leistung der deutschen Sicherheitsbehörde, festzustellen, dass
unsere Sprengfallen in Grosny gegossen worden sind. Mittlerweile weiß es auch
die gesamte westliche Abwehr. Aber letztlich haben uns diese Feststellungen der
Kieler Polizei in die Hände gespielt. Nur dadurch war es möglich, Grosny ohne
große westliche Proteste abzustrafen und zu bombardieren und in Tschetschenien
einzumarschieren und uns die Ölquellen im Kaukasus und am Kaspischen Meer
fortan weiter zu sichern. Nun brauchen wir keinen länderübergreifenden Konflikt
zu fürchten. Wir können unsere südliche Flanke und darüber hinaus unseren
kaukasischen Hinterhof frei von westlicher Einflussnahme halten.
Tschetschenien ist und bleibt für Russland ein
Kronjuwel auf das wir auch wegen seiner geopolitischen Lage nicht verzichten
können.
Gott sei Dank, glaubt der Westen, dass Bill
Clinton das Ziel der verminten Kanalisation in Halifax gewesen sei und nicht
unser versoffener Boris. So soll es auch bleiben.
Herrschaften, das Komitee-Triumvirat ist nach
intensiven Analysen zu folgender Strategie gelangt:
Wir erinnern uns alle an den amerikanischen
Präsidenten, Ronald Reagan, der unsere Volkswirtschaft Mitte der achtziger
Jahre zu Tode rüsten wollte und vielleicht auch sehr erfolgreich damit war.
Sich wieder auf ein erneutes Wettrüsten mit dem Westen einzulassen, stehen wir
nicht durch. Allein die Entwicklung des unsichtbaren Stealth-Bombers hat dem
Amis Milliarden US-Dollars gekostet. Nein, in eine neue Rüstungsspirale wollen
wir tunlichst nicht eintreten, vorerst jedenfalls nicht.
Der Krieg kann heutzutage zwischen den
Großmächten kein Instrument der Politik mehr sein. Er wäre im Atomzeitalter für
alle Beteiligten tödlich. Die Rüstung, die Hochrüstung versteht sich, kann aber
schon ein politischer Hebel sein, wie wir unter dem einstigen US-Präsidenten
Reagan leidvoll erfahren mussten. Sehr bald Genossen werden wir das Blatt
wenden, den Spieß umdrehen. Dann, wenn sich herausstellen wird, dass das
Wirtschaftssystem des Westens auf tönernen Füßen steht und nicht mehr
funktioniert, nicht mehr funktionieren kann, wenn es nicht mehr mit Energie,
billiger Energie befeuert wird. In den nächsten zwei, drei Jahrzehnten ist die
westliche Wirtschaft dem Untergang geweiht, weil es schlicht unmöglich sein
wird, alternative, bezahlbare Energie verfügbar zu halten. Die USA wird es
besonders hart treffen. In ihrer überheblichen Ignoranz haben sie versäumt,
energiesparende Technologien zu entwickeln. Stets folgten als Reaktion auf
billiges Öl, weitere Rohöleinfuhren. Ihre Außenhandelsbilanz ist heute schon
mehr als katastrophal. Nur weil die Ölmilliarden der arabischen Ölstaaten zum
Teil durch Waffenkäufe in die USA zurückfließen, ist Amerika noch nicht pleite.
In Westeuropa hat es bereits die ersten Treibstoffkontingentierungen der Land-,
Luft- und Seestreitkräfte gegeben. Unruhen werden sich einstellen, wenn die
Konzerne der weltweit agierenden Energiewirtschaft den Bedarf nicht mehr decken
können. Er wird ein
Weitere Kostenlose Bücher