Aus dem Jenseits verfolgt (German Edition)
Phoebe hatte um ihren Bruder gekämpft, dem wegen Sexualmords der Prozess gemacht werden sollte.
Die Schwester war von einer Stelle zur anderen gelaufen und hatte sich sogar an den Gouverneur gewandt. Doch Randy war in eine Maschinerie geraten, die erbarmungslos lief. Phoebe wurde abgewimmelt oder hörte Vertröstungen.
Sie lauteten »Überlassen Sie das nur dem Gericht« und »Wenn er wirklich so schwachsinnig ist, wie Sie sagen, gehört er in eine Heilanstalt. Aber das müssen die Gutachter beurteilen.«
Manchmal wurden ihr auch barsche Worte an den Kopf geworfen.
»Randy Starr ist ein Sexmonster! Er gehört in die Gaskammer. Dass Sie sich nicht schämen, auch noch für ihn einzutreten.«
Phoebe wusste bald nicht mehr aus noch ein. Gelehrte Gutachter kamen, die Randy kaum kannten, und schrieben ellenlange Berichte über ihn, die mit Fachausdrücken nur so gespickt waren. Phoebe zweifelte bald an der Psychiatrie als solcher.
Ein ziegenbärtiger Professor von der University of Texas in Dallas war ihr im Gedächtnis geblieben. Wo ein Normalbürger mit gesundem Menschenverstand von einem anderen kurz und bündig sagen würde, dass dieser spinnen würde, brauchte der Professor eine wochenlange Untersuchung. Als deren Ergebnis legte er dann einen mindestens dreißigseitigen Bericht vor, aus dem nichts hervorging.
Um das zu schaffen, bedurfte es allerdings eines Universitätsstudiums und Erfahrungen in der akademischen Laufbahn.
Ohne Bill Jackson, mit dem sie damals noch nicht verlobt gewesen war, wäre Phoebe verzweifelt. Sie sah, wie ihr Bruder unter dem Eingesperrtsein in der Untersuchungshaft litt. Er brauchte seine vertraute Umgebung wie die Luft zum Atmen. Und er brauchte Phoebe, die für ihn sorgte.
Der Ankläger war ein junger Staatsanwalt, der sich unbedingt profilieren wollte. Er arbeitete darauf hin, Randy Starr möglichst in die Gaskammer zu bringen. In Texas gab es noch die Todesstrafe, die darin vollstreckt wurde, im Namen des Volkes des Staates Texas.
Phoebe war sich klar darüber, dass sie bestenfalls die Einweisung in eine geschlossene Anstalt aufgrund von Schuldunfähigkeit wegen mangelnder Einsicht in sein Tun und Debilität erreichen konnte. Auch das wäre entsetzlich gewesen, doch immer noch besser, als wenn Randy hingerichtet wurde oder gar in der Gaskammer starb.
Darauf arbeitete sie zäh und verbissen hin. Dann hatten sich die Horrormeldungen gehäuft. Randy hatte einen Haftkoller gekriegt, was verständlich war, und durchgedreht.
Er hielt das Eingesperrtsein nicht aus. Die Verhöre, denen er meist geistig überhaupt nicht folgen konnte, verstörten ihn immer mehr. Dieses Hin und Her zwischen Gutachtern und Ermittlern, zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, wobei jeder was anderes wollte.
Gutmütig und debil bestätigte Randy alles, was man von ihm hören wollte. Er malte wie ein Schuljunge in großen Druckbuchstaben seinen Namen unter sämtliche Protokolle, die man ihm vorlegte. Doch damit waren die Leute, die mit ihm sprachen, auch nicht zufrieden. Zudem kamen sie immer wieder auf jene Tat zu sprechen, die er am liebsten vergessen hätte.
Zudem sammelte sich jeden Abend der Mob vorm Gefängnis und schrie Beschimpfungen für den Mörder und nach Lynchjustiz. Zwar drohte Randy keine direkte Gefahr. Der Polizeichef von San Antonio und der Sheriff hatten die Lage im Griff.
Aber Randy spürte den Hass, der ihn traf, und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er hatte auch immer gehofft, seine Schwester würde ihn bald aus dem scheußlichen Gefängnis heraus- und von den Männern und Frauen wegholen, die ihn schulmeisterten und mit Fragen quälten.
Randys vorher gutmütiges Verhalten änderte sich, als seine Haft länger dauerte. Er wurde ungeheuer aggressiv und griff alles und jeden an.
Phoebe hörte, dass er starke Eisengitter verbog, Wasch- und Toilettenbecken aus der Wand riss und zertrümmert und alles zerschlug, dessen er habhaft werden konnte. Er griff Wärter und Mitgefangene an. Einen Wärter, der ihn allerdings schikaniert hatte, hätte er ums Haar erwürgt.
Bei einem ihrer Besuche hatte er auch Phoebe angreifen wollen.
»Du bist auch nicht besser wie die anderen!«, hatte er sie angeschrien. »Du hast mich hier hereingebracht! Du bist schuld – du, du, du!«
Wärter hatten ihn in die Zwangsjacke gesteckt. Danach hatte ihn Phoebe nur noch einmal in der Geschlossenen Abteilung des South Texas Medical Centers gesehen, wohin er verlegt worden war. Randy hatte
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