Aus dem Leben eines Lohnschreibers
heißt es immer von den Fernsehserienheldinnen, die als Journalistinnen, Ärztinnen, Anwältinnen, Gutsherrinnen, PR-Agenturinhaberinnen oder eben Bankerinnen mit oder ohne Blazer, aber mit vollem Schwung die Welt verbessern. Die Beschwörung der »noch immer von Männern dominierten Welt« ist vor allem eines: politisch hundertfünfzigprozentig korrekt. Keine Aussage ist wohlfeiler. Daß auf dieser Welt noch immer alles von den verdammten Männern ruiniert wird, ist eine maßlos mehrheitsfähige Meinung, sie könnte so hübsch formuliert vermutlich sogar in der »Bildzeitung« stehen und würde von fünf Millionen biertrinkenden männlichen Lesern goutiert und vielleicht sogar beifällig beklagt werden.
Meine leibhaftige, jetzt blazerlose Bankpowerfrau ließ sich auf die Reflexionen nicht ein, mit denen ich sie aus der Reserve locken wollte. Sie war auf exquisiten Schulen und Universitäten gewesen. Sie betonte das, als würde sie sich bei mir um eine Stelle bewerben. Immerhin sagte sie nichts von den exquisiten Examen, die sie dort sicherlich gemacht hatte und die ihr nie Zeit und Gelegenheit gegeben hatten, sich und die Welt in Frage zu stellen. Sie würde wohl auch nie mehr dazu kommen. Sie war vor lauter Powern und Einstecken von Schlägen so unempfindlich geworden wie ein Corpsstudent. Nur ein Karriereknick könnte vielleicht noch Zweifel am Sinn des Ganzen auslösen und sie zu ein paar Gedanken über die Geschlechter und die Rollenklischees anregen. Sie schlief nach der zweiten Verwöhnung wieder rasch ein wie ein befriedigter Mann, und in meinem Kopf sammelten sich ganz von selbst die ersten Beobachtungen für einen Essay, um den ich ziemlich sicher irgendwann von irgendeiner besseren Frauenzeitschrift gebeten werden würde, deren Redaktion es in den Sinn gekommen war, einen männlichen Gastautor über den neuesten Stand der Dinge in Sachen Emanzipation und Gleichberechtigung ein paar Spalten schreiben zu lassen.
Reumütige Männer haben als Song- und Drehbuchschreiber in büßerischen Schüben selbst dazu beigetragen, die eigenen Artgenossen als Grobiane, Flaschen, Feiglinge, Lügner und Zerstörer darzustellen. Dementsprechend erscheint die Frau auf der Höhe ihrer Zeit als die vitale Rächerin mit Handy, die Fäden in der Hand, und alle Sympathien auf ihrer Seite, ehrlich und direkt, taff und sexy. Sie vereint immer Herz und Hirn, hat immer Grips und Busen und Charme, vor allem ein unerschöpfliches Reservoir an Power. Drei bis vier Kinder und berufliche Karriere kriegt die Powerfrau auf die Reihe, dazu eine Scheidung und zwei neue Liebschaften und vielleicht noch ein bißchen ökologisches oder soziales Engagement als Dreingabe.
Powerfrauen sehen so aus wie die Bankerin in diesem Hotelbett. In der Freizeit trägt sie Jeans, aber an diesem Wochenende war Arbeit angesagt gewesen. Also Rock und Blazer. Gegenspieler der Powerfrau sind Dutzende von unterdrückungsbereiten männlichen Kollegen um sie herum, die sie in die Knie zwingen wollen - vergeblich. Ihr Ehemann ist eher ein Waschlappen. Ab und zu leistet sie sich einen Lover. So wie heute mich.
Als wolle meine leibhaftige Bankfrau die Klischees bestätigen, fing sie nun herbe zu schnarchen an. Die powernde Frau kriegt in der Regel am Ende ihres heldenhaften Kampfes ums Dasein, um Liebe und Gerechtigkeit, um Kinder und Karriere ein Vorzugsexemplar des neuen Mannes, der zart und hart zugleich zu sein hat - und natürlich Besitzer eines Jeansreklameoberkörpers mit eingebautem Waschbrettbauch.
Natürlich hatte der Ehemann meiner Bankerin einen Schmerbauch. Das war an dem beifälligen Blick zu erkennen, den sie auf meine Rippen geheftet hatte. Ist man einigermaßen schlank, fallen die Frauen sofort auf einen herein, wie man ja auch selbst immer wieder auf gelungene Hintern und Busen junger Frauen hereinfällt. Es war nun halb drei, ich weckte die Bankerin mit ein paar routinierten Zärtlichkeiten und fragte: »Bist du auch ein böses Mädchen?«
»Und ob«, sagte die Bankerin zufrieden, »du kannst dir nicht vorstellen, wie böse ich bin.« Sie kraulte mich kurz und schlief wieder ein. Und mir war klar, daß der neue Frauentypus, der sich selbstzufrieden als »böse« lobt und sich damit einredet, ein bißchen raubkatzenartig gefährlich und satanisch, ein bißchen männerfeindlich zu sein, im Grunde ganz besonders leistungsbewußt und angepaßt ist. Frauen, die vom Bösesein träumen, sind ziemlich brave Mädchen. Böse sind sie in einem anderen
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