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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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»Glück gehabt!« Gute Slogans sind austauschbar. Völlig egal, ob es um Eiscreme oder Magenbitter, Zigaretten oder Bekleidungshäuser, Banken oder Bücher geht. Würden die Verlage mehr Geld für Werbung als zum Abfüttern von Branchenschnorrern auf der Buchmesse ausgeben, hätte ich gern den Slogan »Glück gehabt!« für meine Bücher gehabt: Was für ein Spot: Bezaubernde Frau, die am Samstagabend kurz vor Ladenschluß in der Buchhandlung das letzte Exemplar meines neuen Romans erwischt - Glück gehabt! Das Wochenende ist gerettet. Oder: Verehrer bringt noch bezaubernderer Frau meinen neuen Roman statt Blumen mit. Glück gehabt! Jetzt weiß sie, daß er Geschmack hat. Variante: Sie ist schon im Besitz des Romans, trotzdem haben sie und er Glück gehabt, denn jetzt hat sie ein Geschenk für ihre Freundin.
    Weil ich nicht als professioneller Werbemensch, als subalterner Lieferant von Ideen hier war, sondern als hinzugeladener Schriftsteller quasi eine Art Sonderrecht genoß, lasen die Bankmenschen bei meinen Ausführungen nicht demonstrativ Zeitung, sondern versuchten höflich, Interesse zu heucheln, während die farb- und formlosen Werbefrauen mich besonders giftig musterten, weil ich mich als Dilettant in ihrem Terrain tummelte. Die Blazerfrau, die ihre Interesselosigkeit an einem frischen Image für ihre Bank besonders penetrant zur Schau stellte, tat so, als höre sie mir zu, und spielte mit ihrem Zweihundertfünfzigmarkkugelschreiber, was sie mir auch nicht näher brachte.
    Eine Entscheidung, ob einer der Slogans genommen werde - und wenn, dann welcher, würde uns schriftlich zukommen, sagten die Banker. Der Scheck wurde mir allerdings sofort ausgehändigt. Für zwei Worte hatte ich noch nie zehntausend Mark kassiert.
    Am Sonntagabend um sechs war die Präsentation beendet, um acht luden die Banker zu einem Abschlußessen. Ich saß neben der Blazerfrau, bemühte mich, nicht abweisend zu ihr zu sein, und merkte, daß meine Reserviertheit bei ihr gut ankam. Sie mußte schwänzelnde Männer gewöhnt sein. Ich fragte sie, wie das so sei, als einzige Frau in einem klassischen Männergeldmachereiverein, aber sie sagte nur: »Kein Thema!«
    Kein Thema - das wäre auch ein Slogan. Ich hatte diese beiden Worte in letzter Zeit mehrfach gehört und nahm mir sofort vor, eine Sprachglosse darüber zu schreiben. Auf der Fahrt nach Frankfurt hatte ich im Zug einen einsamen Handymann rhetorisch gefragt, ob in seinem Abteil noch Platz wäre. »Kein Thema!« war seine Antwort und mit einer unfreundlichen Geste deutete er auf die leeren Sitze, griff zu seinem mobilen Spielzeugtelefon, tupfte eine Nummer und benutzte in einer kurzen Anweisung an seine Sekretärin namens Amelie fünfmal den Ausdruck »Kein Thema!« Ich hielt ihn nicht mehr aus, nahm meine Tasche und sagte: »Ich verlasse Sie!« - »Kein Thema!« sagte er. Ich hatte die Nase voll von den Ersteklassegestalten und setzte mich in die zweite Klasse. Normalerweise machen die Zugschaffner einen aufmerksam, wenn man mit einem Ersteklassefahrschein in der zweiten Klasse sitzt. Der Schaffner fixierte mich kurz, billigte meinen Snobismus und sagte: »Kein Thema!« Als ich beim beengten Aussteigen in Frankfurt meine Tasche einer jungen Frau auf den Fuß stellte und mich entschuldigte, hörte ich es auch von ihr: »Kein Thema!«
    Da die Blazerfrau von sich nichts erzählen wollte, zwang ich sie mit ein paar Andeutungen zum Nachfragen über meine Bücher und erzählte ihr dann ziemlich detailliert die Lieblingsliebesszenen aus meinen Romanen. Sie hörte teilnahmslos zu, auch bei den Testworten »Ficken« und »Fotze« zuckte sie nicht. Als der Nachtisch kam, ging mir der Stoff aus. Sie schwieg, es war ziemlich still geworden, und ich fragte mich, ob sie mich für ein Schwein, einen Maulhelden, einen Anbaggerer oder einen durchgedrehten Dichter hielt. Beim Espresso sagte sie plötzlich: »Ich habe letzte Nacht von Ihnen geträumt.«
    Sie sagte es ungeschickt, aber eindeutig. Es war völlig klar, daß sie nicht von mir geträumt hatte. Ihr schneidender Hamburger Akzent ließ die Verlautbarung nicht gerade verführerisch klingen.
    »Und?« fragte ich.
    Sie bewegte die Schultern. »Es war ziemlich gut«, sagte sie ohne falsche oder echte Glut, ohne falsche oder echte Verlegenheit, ohne Anzüglichkeit, ohne jede Regung. Sie versuchte nicht einmal sexy zu sein, oder sie konnte es nicht. Sie war wohl sicher, es zu sein. Ich vermißte den klassischen eindeutig zweideutigen Blick, der

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