Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
doch bitte.«
Mit einem leisen Seufzer ließ sich Anna auf einem Stuhl nieder. Der Ausflug hierher hatte sie mehr angestrengt, als sie erwartet hatte. Ob sie das Durchschreiten der Passagen jemals so gut verkraften würde wie Edmund? Sie sah sich um. Das Zimmer war spärlich eingerichtet wie so viele Wohnungen im Moment. Außer Tisch und Stühlen standen ein großes Regal sowie ein riesiger, kunstvoll angefertigter Holzschrank in der Wohnstube. Jemand hatte ihn liebevoll mit Schnitzereien verziert, ein kompliziertes Blumenmuster umrahmte die breiten Türen. Eva war Annas Blick gefolgt und lächelte.
»Gefällt er dir? Den hat Alexander gebaut. Kurz bevor er … fortgegangen ist.«
»Er ist wunderschön. Der Schrank, meine ich«, stotterte sie. Du meine Güte, Anna, reiß dich zusammen! Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Edmund die Lippen fest aufeinanderpresste, doch seine Augen verrieten, dass es ihm nur mit Mühe gelang, sich ein Lachen zu verkneifen. Alexanders Mutter zog eine Augenbraue hoch und schmunzelte.
»Ja, das ist er. Der Schrank.«
Anna hätte sich ohrfeigen können. Sie spürte genau, wie sie errötete. Es blieb eine kleine Ewigkeit still, bis sich Lisa zu ihnen setzte, nicht ohne vorher vier Tassen und eine dampfende Kanne auf den Tisch gestellt zu haben. Eva schenkte ihnen mit sicherer Hand ein und nickte Anna zu.
»So, mein Kind, nun erzähl bitte. Wie geht es meinem Sohn?«
Anna atmete tief durch. Nur zu deutlich sah sie Alexanders funkelnde Augen vor sich, sein verschmitztes Grinsen, seine schlanken, kräftigen Finger, die der Gitarre so wunderbare Töne entlockten, sein Mund … entschieden kniff sie die Augen zusammen und sein Gesicht verschwand. Sie wollte objektiv und möglichst heiter von ihm erzählen.
»Ich habe Alexander am Tag des Übertritts getroffen. Er war mit seinem Hund im Wald spazieren und ich … ich war zum Hamstern unterwegs.«
Der Nebel tauchte vor ihren Augen auf. Davon würde sie nicht berichten, auch nicht von der Schwäche, die der Grenzübertritt zur Folge gehabt hatte.
»Oskar«, unterbrach Lisa ihre Gedanken. »Ist er bei Alex?«
»Er weicht nicht von seiner Seite, obwohl er drüben einen weiteren Freund gefunden hat.« Das stimmte, noch hatte sie nicht gelogen. Ob Oskar jetzt bei ihm war?
»Das stimmt, Oskar liebt sein Herrchen abgöttisch.« Lisa nickte eifrig und deutete auf den Wassernapf auf dem Boden neben dem Schrank. Anna spürte einen weiteren unangenehmen Druck im Bauch, der Wassernapf war leer.
»Nachdem wir drüben ankamen«, fuhr sie fort, »haben wir Edmunds Freundin Naomi getroffen, die uns mit zu ihrem Heim genommen hat.« Direkt gelogen hatte sie immer noch nicht. Sehr gut. »Naomis Familie hat uns herzlich aufgenommen und uns ein wenig von ihrer Welt, von Silvanubis, gezeigt.«
Was konnte sie noch erzählen, ohne Eva und Lisa zu sehr zu beunruhigen? Das hier war noch viel schwerer, als sie angenommen hatte. Hilfe suchend sah sich Anna nach Edmund um. Dieser nickte ihr aufmunternd zu, wendete den Blick von Alexanders Schwester auf deren Mutter und fuhr durch seine langen dunkelbraunen Haare. Dann leerte er seine Tasse und nahm den Faden auf.
»Alexander fühlt sich bei uns schon fast wie zu Hause.«
Eva runzelte die Stirn.
»Obwohl er viel von hier erzählt hat«, beeilte sich Edmund hinzuzufügen. »Er wird euch alles genau berichten, wenn er zurückkommt.«
In Evas Kopf schien es zu arbeiten. Auch diesen Gesichtsausdruck, die gehobenen Augenbrauen, kannte Anna nur zu gut. Alexanders Mutter hatte bereits den Mund geöffnet, doch Edmund kam ihr zuvor.
»Er wäre gern selbst hier vorbeigekommen, heute, meine ich.« Anna senkte den Kopf, nun kam Edmund um eine Lüge nicht mehr herum. »Doch Anna konnte nicht warten. Sie hatte hier wichtige Dinge zu regeln … Wir mussten uns beeilen.«
Das schlug dem Fass doch glatt den Boden aus. Heftig trat Anna unter dem Tisch gegen sein Schienbein und der Okeanid zuckte merklich zusammen. Wie konnte er es wagen, sie vorzuschieben! Eva sah sie argwöhnisch von der Seite an, doch wieder kam Edmund ihr zuvor.
»Und Alexander hatte drüben noch etwas zu erledigen. Ich bin mir sicher, es wird nicht mehr lange dauern und er steht hier vor der Tür.«
Glatt gelogen. Sie wussten nicht einmal, wo sich Alexander genau befand, ob ihm etwas zugestoßen war, ob er überhaupt noch lebte. Egal, ihr blieb nichts anderes übrig. Sie musste das Spiel jetzt mitspielen, ob sie wollte oder nicht.
»Was musste
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