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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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aus einem ehemaligen Missbrauchsopfer werden kann, schildert Petra Klages in ihrem Buch »Brieffreundschaft« mit einem Serienmörder . Dort hat sie viele Darstellungen eines besonders grauenvoll handelnden Täters gesammelt: Sie schrieb ihm Briefe, und er schrieb zurück – oft und detailliert. Als Pädagogin und Kriminologin hat Klages so jahrelang einen neuzeitlichen Sexualmörder ausgeforscht, für den noch nicht einmal ein Heiliger Zuneigung empfinden kann. Der Täter hat seine Opfer aufgeschnitten, zerstückelt, ihnen die Eingeweide entnommen und sie an gut einsehbaren Orten in offensichtlichen Posen abgelegt. Mehr geht nicht.
    Allerdings schildert der Mann in seinen Briefen nicht nur Dinge, die auf den ersten Blick bloß grauenerregend sind, sondern die auf den zweiten Blick auch sehr viel darüber aussagen, was in ihm vorging. Das hilft uns, vergleichbare Taten besser auf mögliche Spuren hin zu untersuchen. Der Psychologin ermöglicht es, nach Therapie- oder Vorbeugungsmöglichkeiten zu suchen.
    Es ist darum eigentlich schade, dass nicht jeder Täter seine Geschichte so veröffentlichen kann. Als John Douglas und Robert Ressler in den Achtzigerjahren versuchten, Serienmörder für das FBI zu befragen, wurde es ihnen sogar – allerdings nur mündlich – verboten, weil man zu viel Unruhe in der Bevölkerung fürchtete. Gut, dass die beiden ihre Vorgesetzten nicht schriftlich gefragt hatten – so erhielten sie nie ein schwarzes auf weißes »Nein« und führten ihre systematische Untersuchung von Tätern trotzdem durch. Der Lohn: ein wesentlich verbessertes Verständnis der Seele von Serientätern.
    Vor allem eins wurde dabei endgültig klar: Die mal über- und mal unterbewerteten Umwelteinflüsse auf ein Kind verdichtetensich zu vorhersagbaren Gesetzmäßigkeiten, was die Wahrscheinlichkeit von negativen Folgen auf die Psyche der Kinder angeht. Dennoch wird noch sehr viel geforscht werden müssen, um die Zusammenhänge verschiedener Einflussfaktoren besser beschreiben und so auch beeinflussen zu können. Klar ist aber jetzt schon: Je stärker das Trauma, dem ein Täter in seiner Kindheit ausgesetzt war, desto fürchterlicher können seine Wut und seine eigenen Taten werden. Das hört sich fürchterlich banal an. Ist es aber nicht, denn es gibt sehr viele Arten, ein Kind zu zerstören. Manche wurden leider erst in der Neuzeit verstanden.
    So ähnlich ist es mit dem pädophilen Mann aus dem oben geschilderten Verfahren. Er ist, wie die meisten Täter, Lichtjahre von einem Mord entfernt. Dennoch versteht er nicht, dass Liebe, Sex und elterlicher Schutz bei Kindern nicht vermischt und in einer Person gebündelt werden dürfen. Die seelisch vernachlässigten Opfer, die sich zunächst über liebevolle Brosamen im sonst herrschenden emotionalen Nichts freuen, werden als Erwachsene fast unweigerlich selber zu Bindungsgestörten, Suizidenten oder eben Pädophilen. Andere werden Stricher, die durchdrehen, wenn sie eines Tages verlassen werden – und sei es nur von ihrem Freier. Ich (M.B.) habe zwei derartige Wohnungstatorte gesehen. Es gab keine Stelle in den betreffenden Räumen, die nicht von Blut bedeckt war. Wirklich keine.
    Briefe und Berichte von Tätern – ganz gleich ob sie körperliche Gewalt ausübten oder nicht – sollen und können natürlich keine Sympathie erzeugen. Aber für Menschen mit den gleichen Gedanken, Gefühlen und Meinungen wie die von vielen anderen Menschen hätte man die Straftäter wahrscheinlich ebenso wenig gehalten. Auch Fernseh- und Zeitungsberichte stellen sie meist als Gruselmonster dar und vermitteln das bequeme Gefühl, es handele sich um Kreaturen, die nichts mit angeblich normalen Menschen gemein hätten. Manche Täter bezeichnen sich sogar selbst als Monster.
    Wie schmal aber die Grenze zwischen Menschen ist, die sehr grausame Taten begehen, und denen, die dies nicht tun, wird durchdie Erlebensschilderungen der Täter klar. Ihre Erinnerungen und Gefühle, ihre alltäglichen Probleme und Gedanken lassen sie als menschliches Gegenüber erscheinen – ein Gegenüber mit Stärken und Schwächen, mit sympathischen und unsympathischen Eigenschaften. Das Grauen, das sich zugleich in ihren sexuellen Fantasien und Taten zeigt, steht eingebettet in das Gesamtbild von Menschen, die selbst Opfer von Missbrauch, Traumata und Vernachlässigung in der Kindheit wurden, die teilweise Ehemann, Vater, Arbeitskollege und Nachbar waren. Deswegen sind sie meist auch keine tobenden Teufel

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