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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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selbstverständlich, »ich bin doch nicht ephebophil.« »Was?«, fragt die Richterin aufgeschreckt. »E – phe – bo – phil«, buchstabiert der Mann höflich, so als hätte die Richterin, genau wie er, einfach nur ein schlechtes Gehör. In Wahrheit hat sie den Begriff, der die Hinwendung zu nachpubertären Jungen beschreibt, noch nie gehört. 
    Am zeitigen Nachmittag ist das Trauerspiel, das nur aus Missverständnissen besteht, zum Glück zu Ende. Alle gehen nach Hause.
    Zunächst nur am Rande – nämlich zur späteren Feststellung der Schwere der Tat – deutet jemand an, dass es nicht nur um den Täter geht, sondern dessen sexuelle Handlungen auch auf die Opfer Auswirkungen haben. Eines der Opfer, so stellt sich heraus, sitzt nämlich selbst im Gefängnis – verurteilt für Sex mit Kindern, in haargenau der Art, die er selbst als Kind erlebte. Die Psychologen berichten, dass er in seiner Sexualität unwiderruflich auf kleine Jungen geprägt ist, während sein Bruder – das zweite Opfer – eine auf Erwachsene ausgerichtete Sexualität entwickelte.
    Sexueller Missbrauch in der Kindheit wirkt sich ganz unterschiedlich auf die Psyche der Opfer aus. Wer das Thema nur aus den Medien kennt, reagiert auf den bei manchen Tätern bestehenden Zusammenhang von Missbrauch in der Kindheit und späteren eigenen, genau gleichen Taten mit Unverständnis. Denn rein gefühlsmäßig würde man meinen, dass doch gerade ehemalige Missbrauchsopfer das damit einhergehende Leid genau kennen müssten. Das sollte sie eigentlich von eigenen Taten abhalten. Dabei ist Außenstehenden oft nicht klar, dass in den meisten Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch eben keine brutale Gewalt herrscht, sondern Psychoterror der unterschwelligen Art.
    Die Täter – sehr oft Familienmitglieder oder soziale Bezugspersonen der Kinder – bauen nämlich fast immer durch Zuwendung und Aufmerksamkeit eine persönliche Beziehung zu ihren Opfernauf. So geraten die Kinder allmählich in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie die sexuellen Handlungen dulden – aus Angst, ihre Bezugsperson zu verlieren. Diese Kinder entwickeln durch die Einbettung der sexuellen Handlungen in ihren Alltag häufig den Glauben, es sei »normal«, die sexuellen Wünsche der erwachsenen Bezugsperson zu erfüllen.
    Das ist ein verheerender Mechanismus: Einerseits geben sich die Kinder oft selbst die Schuld für den Missbrauch, da sie den in ihnen wirkenden emotionalen Abhängigkeitsprozess nicht verstehen und verarbeiten können. Andererseits können sich die Täter dadurch, dass sie keine körperliche Gewalt anwenden, ihre Taten schönreden, indem sie sich sagen: »Wenn das, was ich tue, so schlimm für das Kind wäre, dann würde es ja nicht mehr zu mir kommen. Ich zwinge es ja nicht.« Hält man sich das vor Augen, dann wird nachvollziehbarer, wie tiefgreifend die Folgen für das Selbstbild, die Beziehungsfähigkeit und die Sexualität von Missbrauchsopfern sind.
    Natürlich kann auch vieles andere in der Entwicklung von Kindern schiefgehen. Auch scheinbar harmlosere Erfahrungen als Missbrauch, beispielsweise die frühe Trennung von einem Elternteil, können eine sehr ungünstige Folge auf die Beziehungsfähigkeit von Kindern haben. Bekannte Folgen sind dabei, wie bei sexuellem Missbrauch, Depressionen, Angststörungen, die Borderline-Persönlichkeitsstörung, sexuell abweichende Vorlieben, Störungen der Fähigkeit, sich auf zwischenmenschliche Beziehungen einzulassen, und vieles für die Betroffenen Unangenehme mehr. In ihrer Ausprägung und Zusammenstellung unterscheiden sich die Folgen stark – sie schränken aber immer die Fähigkeit zu entspannten Partnerschaften ein. Und das ist schlimm.
    Wie es zu den immer ähnlichen Folgen von Missbrauch kommt, wissen wir noch nicht. Die menschliche Entwicklung setzt sich aus einem kniffeligen Zusammenspiel von genetischen Einflüssen und Umwelteinflüssen zusammen. Das bedeutet, dass es Umwelteinflüsse gibt, die bestimmte Entwicklungen wahrscheinlicher machen, aber sich eben nicht in jedem Fall gleich auswirken. Eingutes Beispiel hierfür ist das Rauchen von Zigaretten. Es erhöht nachweislich die Wahrscheinlichkeit, Lungenkrebs zu entwickeln, doch weitaus nicht jeder Raucher entwickelt Lungenkrebs. So ist es auch mit allen anderen Einflüssen: Sie können, müssen aber nicht zu denselben Schäden führen. Doch wie beim Rauchen gilt: Irgendeine Einschränkung folgt immer.
    Einen Extremfall dessen, was

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