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Auserkoren

Titel: Auserkoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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diesmal etwas lauter. Meine Stimme kommt mir vor wie Donnergrollen. Ach du liebe Güte! Schreien oder Flüstern? Entscheide dich, Kyra.
    Jemand bewegt sich in dem Raum, das kann ich hören.
    Jemand sagt: »Joshie.« Vielleicht ist es Bryant? Es ist eine Kinderstimme. Derjenige, der das gesagt hat, ist höchstens zwei, drei Jahre alt. »Joshie, da draußen ist jemand für dich.« Danach herrscht einen Moment lang Stille. Und dann sagt die Stimme: »Ich hab Angst.«
    Eigentlich müsste ich von dem Stuhl runterspringen und weglaufen, aber was kann mir denn noch Schlimmeres passieren als das, was schon passiert ist, was bald passieren wird? Was kann schlimmer sein, als Onkel Hyrum zu heiraten? Also warte ich ab und bleibe ruhig.
    »Hab keine Angst«, sagt Joshua. Seine Stimme macht mir, die ich bis ins Mark zittere, wieder Mut. »Ich bin da.«
    Ich schließe die Augen ganz fest. Ich bin da. Das hat er zu mir gesagt.
     
     
    Am Tag, nachdem Joshua mir so nahe gekommen war und mich nach dem Klavierunterricht fragte, suchte ich meinen Vater. Er kam gerade von den Luzernefeldern, die Sonne und die schwere Arbeit hatten ihn ins Schwitzen gebracht.
    »Vater«, sagte ich, ehe mich der Mut wieder verließ, »Joshua Johnson möchte Klavier spielen lernen. Darf ich
ihm Unterricht geben?« Ich konnte meinem Vater nicht in die Augen sehen. Deshalb starrte ich auf den Rand, den der Hut in sein Haar gedrückt hatte und der zum Vorschein kam, als Vater ihn abnahm, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen.
    Er dachte nach. »Joshua Johnson?«, fragte er. »Und wo?«
    »Im Gemeindesaal. Auf dem alten Kawai-Klavier.«
    Mein Vater, gutgläubig wie er war, hatte keine Ahnung, dass Joshua und ich ganz kurz davor gewesen waren, uns zu küssen. Er nickte und sagte: »Nimm Emily mit. Und vernachlässige dein eigenes Üben nicht. Und auch nicht deine Hausarbeit.«
    »Ja, Vater«, antwortete ich. War ihm aufgefallen, dass ich rot geworden war?
    Also nahm ich Emily mit. Sie sang zu der einfachen Melodie, die Joshua spielte, und sie traf immer den Ton. Ihre Stimme schwebte wie ein Schmetterling über uns.
     
     
    Aber da ist noch ein Geheimnis. Noch eine Sünde. Ich darf nämlich nicht mit Joshua zusammen sein. Ich darf das, was ich empfinde, nicht empfinden. Das Kribbeln, wenn er mich anschaut. Das Gefühl der Schwäche, wenn seine Hand der meinen nahe kommt. Und das Schlimmste - ich musste immerzu daran denken, wie es wäre, ihn zu küssen.
    Und als wir uns dann küssten, war ganz allein ich daran schuld.

    Emily saß mit ihrer Puppe in einer Ecke.
    Joshua und ich waren im Gemeindesaal.
    Wir saßen auf der Klavierbank.
    Ich roch seine Seife.
    Schaute auf seine Hände.
    Dachte keine Sekunde lang an die Musik.
    »Das ist der Akkord, den du eigentlich hättest spielen sollen«, sagte ich nach einer Weile zu Joshua.
    Ich sah ihn an und stellte fest, dass er mich anschaute, statt sich auf die Noten zu konzentrieren.
    »Du musst deine Finger so halten«, sagte ich zu ihm. »Hierhin musst du schauen.« Ich klopfte auf die Tasten.
    Er ließ es zu, dass ich seine Finger an die richtige Stelle legte. Sie waren so warm.
    »Das C, das E und das G«, sagte ich.
    Aber Joshua ließ seine Finger nicht dort, wo ich sie hingelegt hatte, sondern verschränkte seine Finger mit meinen. Er lehnte sich gegen mich. Den anderen Arm legte er um meine Taille.
    »Wenn du meine Hand hältst, kannst du nicht Klavier spielen. Und erst recht nicht, wenn du dich so krumm an mich lehnst«, sagte ich mit belegter Stimme. Ich brachte fast kein Wort hervor. Aber ich dachte: Ich könnte dich auf der Stelle küssen, und wenn ich dann in die Hölle käme, wäre es das wert gewesen. Oh ja, das wäre es . Ich drehte mich um. Emily spielte vergnügt mit ihrer Puppe und sang vor sich hin.
    »Schon in Ordnung«, sagte Joshua. »Ich kann warten.«
    Einen langen Augenblick lang saßen wir so nebeneinander. Dann ließ Joshua meine Hand los und spielte
den Dreiklang so, als ob er ihn schon immer gekonnt hätte.
    »Gut gemacht«, lobte ich ihn, während seine Hand so selbstverständlich auf meiner Taille ruhte, als würde sie zu mir gehören. Und meine Fingerspitzen brannten, als hätte ich stundenlang gespielt und nicht unterrichtet.
    »Ich habe geübt«, sagte er.
    »Tatsächlich? Das ist gut«, sagte ich. »Ich bin stolz …«
    Und dann küsste ich ihn, mitten im Satz. Ich presste meine Lippen auf seinen Mund, der so unglaublich weich war. Er erwiderte meinen Kuss. Dabei wusste ich

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