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Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frieda Lamberti
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standhaft. Steffen sitzt in der vierten Reihe. Ellen hat ihn zuvor mit ihren Blicken auf die hinteren Plätze verwiesen. Hanna und Karl sind auch mit gekommen. Hanna weint bitterlich. Vermutlich mehr über den Verlust ihrer Schwiegertochter, als über das Ableben von Lars. Auf dem Parkplatz werde ich von ihr aufgehalten. »Ach Kind, was macht ihr bloß? Die ganze Familie bricht auseinander. Du hast Steffen verlassen und Frederik ist bei Nadja ausgezogen. Daran sind nur wir Schuld. Hätten wir euch nicht mit dem Urlaub überfallen, wäre noch alles beim Alten.« Ich verstehe kein Wort. Dass Frederik ausgezogen ist, weiß ich gar nicht. »Du hast nichts von der Krisenstimmung bei den kleinen Juniors mitbekommen? Nadja hat in Tirol das Pistenluder gegeben. Erst hat sie ungeniert mit dem Snowboard Lehrer geflirtet, dann trank sie mit allen Männern Brüderschaft und morgens hab ich sie aus einem fremden Zimmer kommen sehen. Sie hat sich aufgeführt wie eine läufige Hündin. Das war schon nicht mehr schön. Ich glaub, sie kommt ganz nach ihrer Mutter.« Ich bin sprachlos und mir wird auf der Stelle übel. So sehr hat mich Hannas Bericht erschüttert.
   »Steffen bereut es so. Denk doch noch einmal darüber nach. 26 Jahre gibt man doch nicht so einfach auf.« Ich habe kein Interesse an ihren Versöhnungsversuchen, vielmehr halte ich aufgeregt Ausschau nach meinem Sohn. Mit vorwurfsvollem Blick steuere ich auf mein Einzelkind zu und ziehe ihn zur Seite.
   »Ich habe dir extra nichts gesagt. Du hast schließlich eigene Probleme. Für kurze Zeit bin ich bei Papa untergekrochen.«
   »Nadja ist schwanger! Ihr erwartet euer drittes Kind!«
   »Davon, dass ich zum dritten Mal Vater werde, bin ich nicht mehr überzeugt. Ein Vaterschaftstest wird nach der Geburt Klarheit schaffen. Bis dahin bin ich weg.«  Mit einem Küsschen verabschiedet er sich.

Auf der Fahrt in die Firma frage ich mich, was noch alles passieren soll. »Alles gerät aus den Fugen. Heute habe ich meinen liebsten Schwager und ältesten Freund beerdigen müssen, meine Ehe ist gescheitert, die meines Sohnes steht auf der Kippe und mein Zuhause steht zum Verkauf.«  Nach Maikes Beichte ändert sich meine Stimmung schnell. Selbstmitleid und Trauer weichen unbändiger Wut. Sie hat es versäumt, ein Hotelzimmer für mich zu buchen und versucht bereits seit Stunden, noch eine Unterkunft für die Messezeit zu ergattern. Ich bin stink sauer und beschließe, bei Sarah anzurufen. Vielleicht hat sie ja noch eine Idee. Ich erreiche nur den Anrufbeantworter.
   »Hallo Sarah. Ich werde morgen und Sonntag in München auf der Beauty Messe sein. Bist du am Wochenende zu Hause? Wollen wir uns treffen? Melde dich doch mal schnell zurück.« Bevor ich auflege,  meldet sich eine Stimme. »Hallo?« Es ist Anke, Sarahs langjährige Lebensgefährtin und die Liebe ihres Lebens, wie die ehemalige Moderatorin bei jeder sich bietender Gelegenheit beteuert.
   »Grüß dich, Marie«, krächzt es aus dem Telefon. »Sarah ist im Atelier, soll ich sie für dich rufen?«
   »Bist du krank?«
   »Nein, du hast mich aus dem Schlaf gerissen. Ich hatte Doppelschicht und bin noch gar nicht ganz bei mir.« Anke arbeitet als Stationsärztin im Klinikum an der Isar. Sie ist eine sympathische Mittvierzigerin und besitzt einen unschlagbaren Humor und Mutterwitz.
   »Magst du bei uns übernachten? Das Geld für dein Hotel können wir doch besser versaufen und verfuttern.« Das ist typisch Anke. Auch sie kennt das Leben als Alleinverdienerin. Mit Freude nehme ich die Einladung an.

Nach 860 gefahrenen Kilometern und zwei nicht endenden Staus komme ich gehetzt und erschlagen auf dem Münchner Messegelände an. Es bleibt noch genau eine Stunde Zeit, um alle Pflegeprodukte zu platzieren, Werbedisplays aufzustellen, zu dekorieren und die Produktbroschüren in der Pressestelle abzugeben, bevor sich die Tore zur Beauty Messe öffnen. Der junge Mann vom Sicherheitsdienst, der in der Nacht für die Standbewachung zuständig war, spricht mich in seinem warmen bayrischen Akzent an. »Nur mit der Ruhe, junge Frau. Lassen Sie sich Zeit. Ich kann Ihnen beim Ausladen und Aufbauen helfen.« Junge Frau! Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Es gefällt mir, obwohl ich genau weiß, dass es nur eine freundliche Floskel ist und keinesfalls der Wahrheit entsprechen kann. Ich sehe nämlich furchtbar aus. Die lange Nachtfahrt hat ihre Spuren hinterlassen. Gerade der richtige Look

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