Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
nach rechts und klimpert dabei aufgeregt mit den Augen.
»Die kriegt ja gar keine Luft, die Arme.«
» Ist das nicht der WAHNSINN«, schreit er jetzt noch lauter.
» Und sehen Sie diese WAHNSINNigen Farben an. Schoko, Brombeere, WAHNSINN, Rose, Pflaume, Schwarz und Nachtblau. Der helle WAHNSINN, sage ich Ihnen. Oh, ich höre gerade, Schoko und Pflaume sind in den Größen XL, XXL schon begrenzt. Also ganz schnell ans Telefon meinen Damen. Schnell hab ich gesagt! Ist das nicht der WAHNSINN. « Gerda ist zwischenzeitlich schon nachtblau passend zu ihrem Ganzkörper Fett-Weg-Body angelaufen. Unter Schnappatmung verlässt sie den Laufsteg. Anke hat genug gesehen und erhebt sich vom Sofa.
»Spatzl, willst du uns jetzt auch schnell etwas bestellen. Beeile dich, sonst ist alles ausverkauft.«
»Ich nehme Pflaume«, gackert Anke. Ich halte mir den Bauch und kann mich vor Lachen kaum noch auf dem Sofa halten.
»Der war doch auf Koks!« Als TV Expertin kennt Sarah sich damit aus. Wir Frauen schnattern noch eine ganze Weile. Anke erzählt von ihrem tollen Weihnachtsurlaub, der sie nach Madeira führte. Beide berichten mir von den Anfeindungen in ihrer Nachbarschaft und schließlich zeigt Sarah noch ihre neuesten Kunstwerke. Als Anke die vierte Flasche Wein öffnen will, stehe ich auf.
»Ohne mich. Ich muss jetzt wirklich in die Falle«. Ich schlafe fest wie ein Stein.
Die Nacht war kurz und ich hätte glatt verschlafen, wenn meine Gastgeberin mich nicht mit einem starken Espresso bewaffnet aus dem Bett geschmissen hätte.
»Frühstückst du noch mit uns? Anke ist gerade los und holt uns frische Semmeln.« Aber ich muss ablehnen. Als Anke und Sarah mich am Auto verabschieden, entdecke ich den Spanner vom Vorabend. Der alte Mann mit Hut steht an seinem Zaun. Wieder ruft er: »Pfui« und »Dreier« zu uns rüber. Nachdem ich meinen Koffer auf den Rücksitz gestellt habe, gehe ich schnurstracks auf ihn zu.
»Dreier? Nein, alter Mann, einen Dreier haben wir nicht gemacht. Wir haben ein Frauen Doppel gespielt. Die Vierte hängt noch oben angekettet an der Wand.« Im Rückspiegel sehe ich, wie Anke dem Alten den Stinkefinger zeigt. Was es doch nur für schreckliche, intolerante Leute gibt, wundere ich mich auf dem Weg zur zweiten Runde Messewahnsinn.
Mit rund dreißig neuen, vielversprechenden Kontakten fahre ich am Abend erschöpft von München in Richtung Hamburg zurück. In Höhe Würzburg verlassen mich die Kräfte und ich steuere vorsichtshalber ein Hotel an. Körperlich völlig erledigt liege ich auf dem Einzelbett und stelle nach zwei Tagen das erste Mal wieder mein Handy an. Zehn unbekannte Anrufe in Abwesenheit. Ich vermute Steffen hinter den anonymen Kontaktversuchen. Bisher drückte ich seine Anrufe immer erfolgreich weg. Zwei neue Kurzmitteilungen wecken allerdings mein Interesse. Die erste SMS ist von Nadja. Sie bittet mich um ein Treffen. Die zweite Nachricht wird mit der Auslandsvorwahl von Frankreich angezeigt. Thomas Helmrich, der Einscheiben-Wurst-Mann schreibt mir kurz aber frech: Seit deinem Satz »Irgendwann sollten Sie ja mal satt sein«, hab ich mich in dich verliebt. Was dich angeht, bin ich ein Nimmersatt. Wann darf ich dich endlich wiedersehen? Thomas. Ungläubig starre ich auf das Display. Ich lese die Nachricht immer wieder und amüsiere mich köstlich. Zu einer Antwort kann ich mich allerdings nicht durchringen.
Als ich am Montagmittag im Labor eintreffe, bin ich noch immer heiser. Der Messemarathon schlägt mir jedes Mal auf die Stimmbänder. Ich übergebe Maike einen Karton mit Adressen potentieller Neukunden, die von ihr in die Kartei aufgenommen werden sollen. Nadja wartet schon in meinem Büro und weint. Sie sucht krampfhaft nach Erklärungen für ihren Aussetzer, wie sie es nennt. Dennoch gibt sie zu hundert Prozent Frederik die Schuld daran.
»Er unterstützt mich gar nicht und hat nur seinen Sport im Kopf.«
»Wie soll es nun bei euch weitergehen?«
»Frederik will nicht zurück kommen. Wir wollten uns gestern aussprechen, haben aber nur gestritten. Er ist so stur. Warum kann er mir nicht verzeihen?« Nadja weint lauter.
»Du kannst die Kinder jederzeit zu mir bringen, egal wie ihr beide euch entscheidet. Ich bleibe immer die Oma für deine Kinder.« Maike klopft an die Tür und lässt durch den offenen Türspalt wissen, dass sie einen wichtigen Termin vereinbart hat.
»Am Freitag, nächster Woche um elf Uhr
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