Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
hoffe inständig, mich verhört zu haben.
»Wir würden so gerne mit euch und den Kindern für zwei Wochen zum Skilaufen fahren. Guckt mal, heute kam die Antwort aus Österreich.« Hanna öffnet ihren Umschlag und verkündet stolz, dass in ihrem Stammhotel vom 23. Dezember bis 6. Januar noch vier Doppelzimmer frei sind. »Was sagt ihr nun?« Auch das noch! Hilfe! Wintersport! Ich bin kein Wintertyp und mit Abstand die schlechteste Ski Läuferin rechts und links der Alpen. Mit Grauen erinnere ich mich an die letzten Urlaube im Schnee. Ich höre meine Familie noch lästern. »Die Beste ist sie bestimmt nicht. Aber auf jeden Fall verdient sie den Preis für die Langsamste.« Nur Frederik zu Liebe, habe ich mich sieben Mal in Folge breitschlagen lassen und den Urlaub statt im sonnigen Süden in der eisigen Kälte von Tirol verbracht.
»Über Weihnachten?« Ich schnappe nach Luft und schaue erst entsetzt zu meinem Mann und danach in das enttäuschte Gesicht meiner Schwiegermutter. Hannas Antennen funktionieren noch einwandfrei und sie spürt sofort, dass ihr Vorschlag bei mir auf wenig Gegenliebe stößt.
»Ich kann unmöglich zwei Wochen Urlaub machen. Ihr wisst doch, dass ich ohne Sophie auskommen muss. Außerdem haben wir bereits Gäste zum Heiligenabend eingeladen. Soll ich etwa meiner Familie jetzt absagen, nur weil ihr euch fünf Tage vor dem Fest für Jagartee und Kaiserschmarrn entschieden habt? Erst gestern habe ich Fleisch und Geflügel beim Schlachter bestellt, den Wein ausgesucht und einen Tannenbaum gekauft. Ich fasse es einfach nicht. Das ist wirklich eine tolle Überraschung!« Karl und Hanna schmollen.
»Ich bekomme langsam Hunger. Komm, lass uns losfahren.« Noch schneller als ich, ist Bruno an der Tür. Mit einem kurzen »Tschüss«, gehen wir auseinander. »Die spinnen doch.« Langsam und vorsichtig fahre ich auf spiegelglatter Fahrbahn nach Hause. Für mich steht fest, auf keinen Fall mit nach Österreich zu reisen.
Als am nächsten Morgen um kurz vor 7.00 Uhr der Wecker klingelt, werde ich von stürmischen Küssen geweckt. Nicht etwa von Steffen. Der hält noch seinen Ausnüchterungsschlaf im Dachgeschoss ab. Nach Frederiks Auszug habe ich das kinderlose Nest neu aufgeteilt und ihn in das frei gewordene Jugendzimmer im ausgebauten Spitzboden umquartiert. Ich begründete seinen Umzug damit, ihn nicht immer wecken zu wollen, wenn ich spät nachts von meinen Geschäftsreisen zurück komme. Der wahre Grund ist jedoch, dass ich sein Schnarchen nicht länger ertragen konnte. Sanft wehre ich Brunos Kuss Attacke ab. Müde schlüpfe ich in meine Hausschlappen, schlurfe in Richtung Küche und öffne für meinen Schnuffel die Fenstertür zum Garten. Wie jeden Morgen im Dezember pinkelt er an die weihnachtlich geschmückte Blautanne, die in der Mitte des Rasens stimmungsvoll leuchtet. Mit einem Glas Orangensaft setze ich mich an den Küchentisch. Üblicherweise lese ich morgens an diesem Platz das Hamburger Abendblatt. Aber an diesem Tag steht mir nicht der Sinn nach Morgenlektüre. Ich bin noch immer über die kurzfristige Planänderung meiner Schwiegereltern verärgert. Das Thema muss mit absoluter Dringlichkeit geklärt werden. Mein Gedankenfluss wird durch das eindringliche Schellen der Klingel unterbrochen. Verwundert öffne ich so früh am Morgen die Haustür.
»Guten Morgen, gut dass du noch da bist. Ich wollte dich unbedingt persönlich sprechen. Ich habe nicht viel Zeit. Frederik muss in einer halben Stunde los und passt noch kurz auf die Kinder auf.« Bevor die schnelle Vielsprecherin fortfährt, bekomme ich ein Küsschen von Nadja auf die Wange.
»Hanna hat uns gestern Abend angerufen und erzählt, dass du dir keinen Urlaub nehmen kannst. Das ist ja schade für dich. Frederik und ich freuen uns schon so aufs Snowboarden und wir waren solange nicht im Urlaub. Ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich im Keller nach den Wintersport Sachen suchen will.«
»Das klingt ja so, als sei das schon beschlossene Sache?«
»Beschlossen und verkündet«, schallt es aus dem Keller zurück. Ich kippe den letzten Schluck Orangensaft herunter und schüttle fassungslos den Kopf über den eigenmächtigen Beschluss. Nadja, die nun voll bepackt um Flur steht, will wissen, wo ich meinen alten Ski Anzug aufbewahre.
»Meiner ist schon etwas eng.« Sie stellt die Sachen ab und kommt grinsend auf mich zu. Mit ihren Händen streicht sie sich langsam über den Bauch
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