Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Frau über der Schulter. Die Frau stützte sich auf ihre Krücke und starrte die beiden stumm an, während die Männer ihre Waffen auf sie und Reacher richteten. Er hatte das Gefühl, dass sie schon eine Ewigkeit so dastanden. Aber er wusste, dass das ein trügerisches Gefühl war. Wahrscheinlich waren noch nicht mehr als eineinhalb Sekunden verstrichen.
Der Mann, der Reacher gegenüberstand, schien der Anführer zu sein. Der größere. Der ruhigere. Er sah zwischen Reacher und der Frau hin und her und deutete dann mit einer ruckartigen Bewegung mit dem Lauf seiner Automatik auf den Randstein.
»In den Wagen, Schlampe«, sagte der Mann. »Und du auch, Arschloch.« Er sprach ganz leise, aber man konnte hören, dass er es ernst meinte. Ohne auffälligen Akzent. Vielleicht aus Kalifornien, dachte Reacher. Am Randstein stand eine Limousine. Sie hatte dort auf sie gewartet. Ein großer schwarzer Wagen, teuer. Der Fahrer beugte sich gerade über den Beifahrersitz und streckte sich, um die hintere Tür zu öffnen. Der Mann, der Reacher gegenüberstand, gestikulierte wieder mit seiner Waffe. Reacher machte keine Bewegung. Er sah nach links und rechts. Seiner Schätzung nach hatte er vielleicht
noch eineinhalb Sekunden Zeit, um die Lage zu peilen. Die zwei Männer mit den Neun-Millimeter-Automatiks bereiteten ihm keine große Sorge. Er hatte nur eine Hand zur Verfügung, wegen der Reinigungsbeutel, aber vermutlich würde es kein großes Problem sein, mit den beiden fertig zu werden. Das Problem war hinter und neben ihm. Er blickte in das Schaufenster der Reinigung und benutzte es als Spiegel. Zwanzig Meter hinter ihm drängte sich eine zusammengepackte Masse von Leuten an einem Straßenübergang. Einige Kugeln, die ihr Ziel nicht trafen, würden da leicht einige andere Ziele finden. Daran gab es gar keinen Zweifel. Überhaupt keinen Zweifel. Das war das Problem hinter ihm. Das Problem neben ihm war die unbekannte Frau. Wozu sie imstande war, blieb eine unbekannte Größe. Sie hatte irgendetwas an ihrem Bein. Sie würde langsam reagieren. Sich langsam bewegen. Er war nicht darauf vorbereitet, hier zu kämpfen. Nicht in dieser Umgebung, und nicht mit dieser Frau als Partner. Der Mann, der so klang, als käme er aus Kalifornien, streckte die Hand aus und packte Reacher am Handgelenk, das von dem Gewicht der neun gereinigten Kleidungsstücke, die ihm in ihren Beuteln über den Rücken hingen, gegen seinen Hals gedrückt wurde. Und an diesem Handgelenk zog er ihn auf den Wagen zu. Der Finger am Abzug der Waffe sah immer noch so aus, als könnte er jederzeit in Aktion treten. Reacher beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er ließ den Arm der Frau los und ging auf den Wagen zu. Warf die Beutel auf den Rücksitz und stieg hinter ihnen ein. Die Frau wurde ebenfalls hineingeschoben. Dann drängte sich der nervöse Typ neben sie auf die Sitzbank und knallte die Tür zu. Der Anführer stieg vorne rechts ein. Schloss die Tür. Der Fahrer schob den Wählhebel auf D, und der Wagen setzte sich sanft und lautlos in Bewegung, die Straße hinunter.
Die Frau stöhnte vor Schmerz, und Reacher vermutete, dass der nervöse Typ ihr seine Waffe gegen die Rippen presste. Der Anführer der beiden saß umgedreht auf dem Vordersitz, und seine Hand mit der Waffe lag an der dick mit Leder gepolsterten Kopfstütze. Die Waffe war direkt auf Reachers Brust gerichtet.
Es war eine Glock 17. Reacher war mit dieser Art von Waffe gut vertraut; er hatte den Prototyp für seine Einheit getestet. Den Auftrag hatte man ihm während seiner Genesungszeit nach der Verletzung in Beirut erteilt. Leichter Dienst. Die Glock war eine verdammt wirksame Waffe. Achtzehn Zentimeter lang, vom Griffstück bis zum vorderen Laufende. Lang genug, um zielsicher zu sein. Reacher hatte damit auf eine Distanz von fünfundzwanzig Meter Reißnagelköpfe getroffen. Und sie verfeuerte ein ordentliches Geschoss – sieben Gramm schwer und knapp 360 m/sec schnell. Siebzehn Schuss pro Magazin – daher die Zahl hinter dem Namen. Und sie war leicht. Bei der ganzen Leistung knapp unter ein Kilo schwer. Die entscheidend wichtigen Teile bestanden aus Stahl. Der Rest war Plastik. Schwarzes Polykarbonat, wie teure Kameras. Saubere Handwerksarbeit.
Aber er hatte sie nicht sonderlich gemocht. Jedenfalls nicht hinsichtlich der speziellen Bedürfnisse seiner Einheit. Man war seiner Empfehlung gefolgt, sie abzulehnen. Stattdessen hatte er sich für die Beretta 92F ausgesprochen. Die Beretta war
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