Ausgeliefert: Roman (German Edition)
sagte Johnson. »Er sitzt jetzt an einem Schreibtisch im Pentagon. Er wird zu uns kommen und uns Bescheid sagen.«
McGrath nickte.
»Bereit sein ist alles«, sagte er.
Das Telefon klingelte. Johnsons Adjutant nahm den Hörer ab. Er stand am nächsten dran.
»Wann verschwinden wir hier?«, fragte Brogan.
McGrath registrierte, dass er die Frage unmittelbar an Johnson gerichtet hatte.
»Jetzt gleich, denke ich«, sagte Johnson. »Die Air Force fliegt uns hinauf. Das spart uns sechs Stunden auf der Straße, nicht wahr?«
Der Adjutant legte den Hörer auf. Er sah so aus, als ob ihm jemand einen Tritt in den Bauch verpasst hätte.
»Die Raketeneinheit«, sagte er. »Wir haben den Funkkontakt zu ihr verloren, nördlich von Yorke.«
31
Holly blieb im Korridor stehen. Lächelte. Die Frau hatte ihre Waffe vor der Tür an die Wand gelehnt und sie stehen lassen. Das war der Grund der Verzögerung gewesen. Sie hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt, das Tablett auf den Boden gestellt, die Waffe von der Schulter genommen, sie an die Wand gelehnt und dann das Tablett wieder aufgehoben, ehe sie die Tür aufgeschoben hatte.
Sie vertauschte das Eisenrohr gegen die Waffe. Keine Waffe, die sie schon einmal benutzt hatte. Auch keine, die sie jetzt benutzen wollte. Es war eine kleine Maschinenpistole. Eine Ingram MAC 10. Ein veraltetes Militärmodell. Aus gutem Grund veraltet. Hollys Klasse hatte sich im Unterricht in Quantico darüber lustig gemacht. Sie hatten sie die Telefonzellen-MP genannt, weil sie so ungenau war, dass man mit demjenigen, den man treffen wollte, zusammen in einer Telefonzelle stehen musste, um die Gewähr zu haben, ihn zu treffen. Ein makabrer Witz. Und sie feuerte auch viel zu schnell. Tausend Schuss pro Minute. Man brauchte bloß an den Abzug zu kommen, und schon war das Magazin leer.
Aber immerhin eine bessere Waffe als ein Teil von einer alten eisernen Bettstelle. Sie überprüfte das Magazin. Es war voll, dreißig Schuss. Der Mechanismus war gut geölt. Die MP funktionierte so sauber, wie sie das je tun würde. Sie klickte das Magazin wieder ein. Zog den Schulterriemen straff und hängte sie sich um. Brachte den Spannhebel in Schussposition und legte die Hand um den Griff. Schloss die andere Hand um den Griff ihrer Krücke und arbeitete sich zur Treppe vor.
Dort blieb sie stehen und wartete. Lauschte. Kein Laut zu hören. Sie ging die Treppe hinunter, langsam, Schritt für Schritt,
die Ingram schussbereit vor sich. Unten angelangt, wartete sie und lauschte erneut. Kein Laut. Sie durchquerte den Vorraum und erreichte die Tür. Schob sie vorsichtig auf und sah hinaus.
Die Straße war verlassen. Aber sie war breit. Auf Holly wirkte sie wie ein großer städtischer Boulevard. Sie zu überqueren und auf der anderen Seite sichere Zuflucht zu finden würde Minuten kosten. Minuten im Freien, in voller Sicht der Berghänge darüber. Sie schätzte die Entfernung ab. Atmete tief durch und packte ihre Krücke fester. Stieß die Ingram nach vorn. Atmete noch einmal tief durch und hastete los, eine Art taumelnder Lauf, bei dem sie immer wieder die Krücke in den Boden stemmte, mit ihrem guten Bein einen Sprung nach vorn machte und die Waffe nach links und rechts schwang, um nach allen Seiten zu sichern.
Vor der Ruine des Bezirksbüros warf sie sich auf den kleinen Hügel. Kroch in nördlicher Richtung hinter dem Hügel herum und kämpfte sich durch Buschwerk, das an ihr zerrte. Drang in den Wald ein, parallel zum Weg, aber dreißig Meter davon entfernt. Stützte sich auf einen Baum und beugte sich nach vorn, vor Erschöpfung und Angst und zugleich einem Gefühl großer Befriedigung keuchend.
Jetzt wurde es ernst. Das war die Situation, auf die ihr ganzes Leben sie vorbereitet hatte. Sie konnte vor ihrem inneren Ohr die Geschichten hören, die ihr Vater ihr aus dem Krieg erzählt hatte. Der Dschungel von Vietnam. Die atemlose Angst bei dem Gefühl, im grünen Unterholz gejagt zu werden. Der Triumph eines jeden sicheren Schritts, eines jeden gewonnenen Meters. Sie sah die Gesichter der harten, stillen Männer, die sie als Kind auf den verschiedenen Militärstützpunkten gekannt hatte. Die Ausbilder in Quantico. Sie spürte die Enttäuschung, als man sie auf einen sicheren Schreibtischposten in Chicago versetzt hatte. Die ganze Ausbildung vergeudet, weil sie die war, die sie war. Jetzt war es anders. Sie richtete sich auf. Atmete tief durch. Dann ein zweitesmal. Sie spürte, wie ihre Gene im ganzen Körper
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