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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Politik«, sagte er. »Hier geht es um Holly.«
    Dexter reagierte nicht gleich und sah sich in dem kleinen Raum im Weißen Haus um. Er war in gebrochenem Weiß getüncht. Alle paar Jahre war er in derselben Farbe neu getüncht worden, während Präsidenten gekommen und gegangen waren. Dexter lächelte kennerhaft.
    »Bedauerlicherweise ist alles Politik«, sagte er. »Es geht um Emotionen. Denken Sie doch mal über unschuldige kleine emotionale Wörter nach – Wörter wie Patriot, Widerstand, Untergrund, Kampf, Unterdrückung, Individuum, Misstrauen, Rebell, Revolte, Revolution, Rechte. Diese Wörter haben alle etwas Majestätisches an sich, finden Sie nicht? Im amerikanischen Kontext?«
    Webster schüttelte stur den Kopf.
    »Am Entführen von Frauen ist nichts Majestätisches«, sagte er. »Und genauso wenig an illegalen Waffen, illegalen Kampftruppen oder gestohlenem Dynamit. Daran ist nichts Majestätisches. Und das hat nichts mit Politik zu tun.«
    Dexter schüttelte wieder den Kopf. Dieselbe kaum wahrnehmbare Bewegung.
    »Die Dinge haben es an sich, zu Politik zu werden«, sagte er. »Denken Sie an Ruby Ridge. Denken Sie an Waco, Harland. Das war auch nicht Politik, stimmt’s? Aber es ist verdammt schnell Politik geworden. Wir haben uns dort bei vielleicht sechsundsechzig Millionen Wählern Schaden zugefügt. Und
wir haben es wirklich dämlich angestellt. Was diese Leute wollen, das sind ja gerade große Reaktionen. Sie wissen, dass harte Gegenmaßnahmen die Leute ärgern und mehr Leute in ihre Reihen treiben. Und wir haben ihnen große Reaktionen geliefert. Wir haben Öl in ihr Feuer gegossen. Wir haben den Eindruck erweckt, als würde die Regierung mit ihrer ganzen Macht geradezu darauf brennen, kleine Leute fertig zu machen.«
    In dem Raum trat Stille ein.
    »Die Befragungen besagen, dass wir es besser machen müssen«, sagte Dexter. »Und wir geben uns alle Mühe, uns bessere Methoden einfallen zu lassen. Wirklich große Mühe. Wie würde es wohl aussehen, wenn das Weiße Haus diese Bemühungen einstellen würde, bloß weil hier zufällig Holly im Spiel ist? Und ausgerechnet jetzt? Am Wochenende des vierten Juli? Verstehen Sie denn überhaupt nichts? Denken Sie darüber nach, Harland. Denken Sie über die Reaktion nach. Denken Sie nach über Wörter wie rachsüchtig, eigensüchtig, Rache, persönlich, solche Wörter. Denken Sie, was solche Wörter in den Befragungen bewirken würden.«
    Webster starrte ihn an. Die in gebrochenem Weiß getünchten Wände drohten ihn zu ersticken.
    »Hier geht es um Holly, Herrgott noch mal«, sagte er. »Nicht um Befragungen. Und was ist mit dem General? Hat der Präsident ihm das alles auch gesagt?«
    Dexter schüttelte den Kopf.
    »Ich habe es ihm gesagt«, erklärte er. »Persönlich. Ein Dutzendmal. Er hat jede Stunde angerufen, jede volle Stunde.«
    Webster dachte: Jetzt nimmt der Präsident nicht einmal mehr Johnsons Anrufe persönlich entgegen. Dexter hat ihn wirklich in der Tasche.
    »Und?«, fragte er.
    Dexter zuckte die Schultern. »Ich glaube, das Prinzip versteht er«, sagte er. »Aber sein Urteilsvermögen ist natürlich im Augenblick etwas beeinträchtigt. Er ist nicht gerade das, was man glücklich nennen könnte.«
    Webster antwortete nicht. Er fing an gründlich nachzudenken. Als Bürokrat war er erfahren genug, um zu wissen, dass
es einen Punkt gab, wo die andere Seite alle Trümpfe in der Hand hatte und wo man besser einen Weg suchte, mit ihr gemeinsame Sache zu machen. In einer solchen Situation zwang man sich am besten, so zu denken wie sie.
    »Aber sie dort rauszuhauen könnte Ihnen gut tun«, sagte er. »Sehr gut sogar. Es würde hart, entschlossen, loyal aussehen. Zielstrebig. Das könnte vorteilhaft sein. In den Befragungen.«
    Dexter nickte.
    »Da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung«, erwiderte er. »Aber es ist riskant, nicht wahr? Sehr riskant sogar. Ein schneller Sieg ist gut, aber wenn wir Mist bauen, ist das eine Katastrophe. Ein äußerst riskantes Spiel, bei dem eine große Zahl von Wählern auf dem Spiel steht. Und im Augenblick zweifle ich daran, dass Sie uns den schnellen Sieg liefern können. Im Augenblick wissen Sie selbst nicht recht, was Sie tun sollen. Und deshalb würde ich im Augenblick eher darauf setzen, dass Sie Mist bauen.«
    Webster starrte ihn an.
    »Hey, nicht übel nehmen, Harland«, sagte Dexter. »Man bezahlt mich dafür, dass ich so denke, okay?«
    »Was zum Teufel soll das bedeuten?«, fragte ihn Webster. »Ich

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