Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
um am nächsten Tag zu dem Erschießungskommando eingeteilt zu werden, bemühten sich, etwas Schlaf zu finden. Wenn Borken sich nicht mit einem Erschießungskommando begnügte, stand ihnen möglicherweise
eine Menge Arbeit bevor. Unappetitliche, unangenehme Arbeit. Und selbst wenn Loder mit dem Leben davonkam, war da immer noch dieser andere Mann. Der große, der mit der FBI-Schlampe angekommen war. Die Chance, dass er den morgigen Tag über die Frühstückszeit hinaus überlebte, war gering. Sie konnten sich nicht daran erinnern, wann das letzte Mal ein Fremder länger als bis nach dem Frühstück am Leben geblieben war.
     
    Holly Johnson hatte ein festes Prinzip. Ein Prinzip, das ihr in Fleisch und Blut übergegangen war, so wie ein Familienmotto. Die lange Ausbildung, die sie in Quantico durchgemacht hatte, hatte dieses Prinzip noch verstärkt. Es war wie ein Destillat aus Tausenden von Jahren Militärgeschichte und Hunderten von Jahren Erfahrung im Vollzug der Gesetze. Und dieses Prinzip lautete: Hoffe auf das Beste, aber stelle deine Pläne auf das Schlimmste ab.
    Sie hatte keinen Grund, nicht daran zu glauben, dass sie in einem Jeep nach Süden unterwegs sein würde, sobald ihr neuer Verbündeter das einrichten konnte. Er war vom FBI ausgebildet, ebenso wie sie. Sie wusste, dass sie, wenn die Vorzeichen anders lauten würden, ihn herausholen würde, ohne jede Frage. Also wusste sie, dass sie einfach in aller Ruhe abwarten konnte. Aber genau das tat sie nicht. Sie hoffte auf das Beste, rechnete aber mit dem Schlimmsten.
    Das Bad hatte sie aufgegeben. Dort gab es keinen Ausweg. Jetzt sah sie sich den Raum selbst an, Zentimeter für Zentimeter. Die neuen Fichtenbretter waren fugenlos auf das Gebälk darunter genagelt, alle sechs Flächen. Einfach unglaublich. Zolldicke Fichtenbretter, die älteste Technik, die man sich vorstellen konnte, seit zehntausend Jahren im Einsatz, und es gab keine Möglichkeit, zu entkommen. Für eine auf sich allein gestellte Frau ohne jegliches Werkzeug hätten diese Bretterwände ebensogut die Stahlschotten eines Schlachtschiffes sein können.
    Also konzentrierte sie sich darauf, Werkzeug zu finden. Es war, als würde sie sich persönlich im Eilzugtempo durch den ganzen Entwicklungsprozess Darwins bewegen. Affen kletterten
von den Bäumen herunter und fertigten sich Werkzeuge an. Sie konzentrierte sich auf das Bett. Die Matratze war nutzlos. Ein dünnes, zusammengequetschtes Ding ohne Drahtfedern. Der Rahmen des Betts war da vielversprechender. Er war aus Eisenrohren und Flanschen zusammengeschraubt. Wenn sie es schaffte, ihn zu zerlegen, konnte sie einen der kleinen, rechtwinkligen Flansche in das längste Rohr stecken und würde dann über eine zwei Meter lange Brechstange verfügen. Aber die Schrauben waren alle überlackiert. Sie hatte kräftige Hände, schaffte es aber nicht, eine der Schrauben zu lockern. Sie schürfte sich dabei bloß die Finger auf, die schweißnass immer wieder abrutschten.
     
    Loder war weggeschleppt worden und Reacher fand sich alleine mit der letzten verbliebenen Wache eingeschlossen. Der Mann saß hinter dem Schreibtisch und hatte seine Waffe so auf die Tischplatte gelegt, dass die Mündung direkt auf Reacher zeigte, der auf seinem Stuhl saß. Seine Hände steckten immer noch hinter seinem Rücken in Handschellen. Er musste Entscheidungen treffen. Die erste war, dass er unter keinen Umständen die ganze Nacht so sitzen bleiben wollte. Er sah den Wächter ruhig an, richtete sich langsam auf und schob seine Hände unten durch. Presste seine Brust auf seine Schenkel und zog die Hände unter den Füßen durch. Dann setzte er sich auf, lehnte sich zurück und zwang sich zu einem Lächeln, die Hände jetzt, immer noch in den Handschellen, auf seinem Schoß liegend.
    »Lange Arme«, sagte er. »Nützlich.«
    Der Wächter nickte langsam. Er hatte kleine, durchdringende Augen, die tief in einem schmalen Gesicht saßen. Sie funkelten über seinem buschigen Bart und unter der Tarnbemalung, aber das Funkeln wirkte einigermaßen unschuldig.
    »Wie heißen Sie?«, fragte ihn Reacher.
    Der Mann zögerte. Rutschte auf seinem Stuhl herum. Reacher konnte erkennen, dass ihn jetzt eine Anwandlung natürlicher Höflichkeit zu einer Antwort drängte. Aber andererseits gab es da auch naheliegende taktische Erwägungen. Reacher lächelte immer noch gezwungen.
    »Ich heiße Reacher«, sagte er. »Sie kennen also meinen Namen. Haben Sie auch einen? Wir sind die ganze Nacht hier,

Weitere Kostenlose Bücher