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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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also können wir das doch auch ein wenig zivilisierter angehen, oder?«
    Wieder nickte der Mann, ganz langsam. Dann zuckte er die Schultern.
    »Ray«, sagte er.
    »Ray?« wiederholte Reacher. »Ist das Ihr Vorname oder Ihr Familienname?«
    »Das Letztere«, sagte der Mann. »Joseph Ray.«
    Reacher nickte.
    »Okay, Mr. Ray«, sagte er. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Sagen Sie Joe zu mir«, erklärte Joseph Ray.
    Wieder zwang sich Reacher zu einem Lächeln. Das Eis war gebrochen. So, als ob man ein Verhör führte. Reacher hatte das tausend Mal getan. Aber nie von dieser Seite des Schreibtisches aus. Nie wenn er derjenige war, der die Handschellen trug.
    »Joe, Sie werden mir ein wenig behilflich sein müssen«, sagte er. »Ich brauche einige Hintergrundinformationen. Ich weiß nicht, wo ich bin oder warum oder wer ihr alle seid. Können Sie mir ein bisschen helfen?«
    So wie Ray ihn ansah, wusste der ganz offenbar nicht, wo er anfangen sollte. Dann sah er sich in dem Raum um, als würde er sich fragen, ob es ihm überhaupt erlaubt war, anzufangen.
    »Wo genau sind wir?«, fragte ihn Reacher. »Das dürfen Sie mir doch sagen, oder?«
    »Montana«, erklärte Ray.
    Reacher nickte.
    »Okay«, sagte er. »Wo in Montana?«
    »In der Nähe einer Ortschaft, die sich Yorke nennt«, erklärte Ray. »Eine alte Bergwerksansiedlung, praktisch verlassen.«
    Reacher nickte wieder.
    »Okay«, sagte er. »Und was machen Sie und Ihre Kameraden hier?«
    »Wir bauen eine Bastion«, sagte Ray. »Einen Ort, der nur uns gehört.«
    »Wofür?«, wollte Reacher wissen.
    Ray zuckte die Schultern. Sehr gesprächig war der Mann nicht. Zuerst sagte er gar nichts. Dann beugte er sich vor und fing an, etwas herunterzuleiern, was Reacher wie auswendig gelernt vorkam, etwas, was dieser Mann regelrecht eingeübt hatte. Oder jedenfalls etwas, was man ihm oft vorgetragen hatte.
    »Wir sind hierher gekommen, um der Tyrannei Amerikas zu entkommen«, sagte er. »Wir müssen unsere eigenen Grenzen ziehen und zeigen, dass es hier drinnen anders sein wird.«
    »Inwiefern anders?«, fragte ihn Reacher.
    »Wir müssen Amerika zurückgewinnen, Stück für Stück«, erwiderte Ray. »Wir müssen eine Gemeinschaft aufbauen, wo der weiße Mann frei und unbelästigt und in Frieden leben kann, mit den angemessenen Freiheiten und den angemessenen Gesetzen.«
    »Und Sie glauben, das können Sie?«, fragte Reacher.
    »Es ist schließlich schon einmal geschehen«, sagte Ray. »Das war 1776. Die Leute haben damals gesagt, genug ist genug. Sie haben gesagt, wir wollen ein besseres Land haben. Und jetzt sagen wir das wieder. Wir sagen, dass wir unser Land zurückwollen. Und wir werden es zurückbekommen. Weil wir jetzt gemeinsam handeln. Hier hat es einmal ein Dutzend Milizen gegeben. Alle wollten dasselbe. Aber alle haben für sich alleine gehandelt. Beau hat sich vorgenommen, die Leute zusammenzubringen. Jetzt sind wir vereint und werden uns unser Land zurückholen. Und hier fangen wir an. Wir fangen jetzt an.«
    Reacher nickte. Er blickte nach rechts auf den Fußboden, zu dem dunklen Fleck, wo Loders Nase geblutet hatte.
    »So?« sagte er. »Und was ist mit Abstimmen und mit Demokratie? Und all dem Zeug? Sollte man nicht die Leute durch Abstimmen aus ihren Ämtern verjagen und neue Leute einsetzen können?«
    Ray lächelte bedrückt und schüttelte den Kopf.
    »Wir haben jetzt seit zweihundertzwanzig Jahren immer wieder abgestimmt«, sagte er. »Und die ganze Zeit wird es immer
schlimmer. Die Regierung interessiert sich nicht dafür, wie wir abstimmen. Sie haben uns alle Macht weggenommen. Sie haben unser Land weggegeben. Wissen Sie, wo die Regierung dieses Landes wirklich sitzt?«
    Reacher hob die Schultern.
    »In Washington, oder?«, sagte er.
    »Falsch.« Ray schüttelte den Kopf. »In New York. Das UNO-Gebäude. Haben Sie sich je gefragt, weshalb das UNO-Gebäude so nahe bei der Wall Street steht? Weil das die Regierung ist. Die Vereinten Nationen und die Banken. Die haben in der Welt das Sagen. Amerika ist bloß ein kleines Stück davon. Der Präsident ist bloß eine Stimme in einem verdammten Komitee. Deshalb taugen Abstimmungen nichts. Denken Sie vielleicht, die Vereinten Nationen und die Weltbanken scheren sich einen Teufel darum, wie wir abstimmen?«
    »Und Sie sind überzeugt, dass es so ist?«, fragte Reacher.
    Ray nickte heftig.
    »Klar bin ich überzeugt«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie es läuft. Warum glauben Sie wohl, schicken wir

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