Ausgerechnet er!
Einerseits glaubte sie, enorme Fortschritte darin gemacht zu haben, ihn von der Existenz der Liebe zu überzeugen. Andererseits war er ein Mann, der vollkommen in der Gegenwart lebte und ausschließlich nach vorn schaute. Er hatte bereits ein paar vage Andeutungen über sein nächstes Hotel auf Barbados gemacht.
So sicher sie sich gewesen war, ihn davon überzeugen zu können, dass Liebe existierte, so schwer fiel es ihr jetzt, sich die Niederlage einzugestehen. Dabei kam es ihr meistens gar nicht so vor, als würde sie die Wette verlieren und damit die Chance ihres Lebens. Doch dann wieder gab es Momente, in denen ihre Zuneigung zu Preston völlig vergeblich schien. Vielleicht beeinflusste jetzt aber der Anblick der düsteren alten Eichen ihre Stimmung.
Die Landschaft um das White Willow House verwies auf eine Zeit der arrangierten Ehen und verbotenen Stelldicheins zwischen Mischlingsfrauen und Männern der vornehmen Gesellschaft. Obwohl sie keine Kreolin war, fühlte sie sich wie eine und malte sich aus, wie es wäre, sich heimlich hierher zu schleichen und sich mit Preston zu treffen …
Ein Mann vom Sicherheitsdienst klopfte an ihre Fensterscheibe und riss Lily abrupt aus ihren romantischen Träumen.
“Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Stone?”
“Ja, Jeff. Ich könnte Hilfe gebrauchen bei dem Schreibtisch und dem Sessel auf der Ladefläche.”
“Ich werde Ihnen helfen. Ich fürchte, die meisten haben bereits Feierabend gemacht.”
“Wir schaffen es schon allein. Ich bin stärker, als ich aussehe.”
Das stimmt, dachte sie. Sie war wirklich stärker, als sie aussah. Stark genug, um selbst in das härteste Herz einzudringen und ihm den Glauben an die Liebe zurückzugeben.
Mit Jeffs Hilfe trug sie die antiken Büromöbel in die Suite des Eigentümers und stellte sie an ihren Platz. Dann ließ Jeff sie in den Räumen allein, die sie für Prestons persönliche Benutzung eingerichtet hatte. Die Eröffnung des Hotels würde in nur zehn Tagen, zu Silvester, stattfinden. Die Karten dafür waren seit Wochen ausverkauft, und Preston hatte Lily gebeten, mit ihm die Nacht in der Suite zu verbringen, die sie nur für ihn eingerichtet hatte.
In den Wochen seit Thanksgiving waren sie sich noch näher gekommen, und sie fühlte, dass er allmählich anfing, sie so zu brauchen wie sie ihn. Preston zu lieben war hart, aber die Mühe wert. Immer mehr lernte er die kleinen Dinge im Leben schätzen und hatte aufgehört, Lily Aufmerksamkeiten zu kaufen.
Dennoch fehlte etwas. Sie sehnte sich nach dem Mann, von dem sie lediglich einen kurzen Eindruck bekam, wenn sie im Dunkel der Nacht zusammen im Bett lagen. Der Mann, der sie in seinen Armen hielt und ihr Pläne für die Zukunft ins Ohr flüsterte. Der Mann, der nachts einen Friedhof mit ihr besuchte und sie festhielt, als wollte er sie nie wieder loslassen. Der Mann, der ihr erster Liebhaber gewesen war und, das sagte ihr zumindest ihr Gefühl, ihr letzter sein würde. Der Mann, der ihren Körper und ihre Seele erobert hatte.
“Was machst du denn noch immer hier?”, fragte Preston von der Tür her.
“Arbeiten.” Seine Züge waren von Müdigkeit gezeichnet. Ein wenig steif betrat er den Raum, als hätte er den ganzen Tag gesessen. Er arbeitete zu hart. Ständig versuchte er, seinen Umsatz zu steigern und seine Konkurrenten zu schlagen.
“Bist du fertig mit der Arbeit?”, fragte er und rieb sich den Nacken.
“Setz dich auf das Sofa.”
“Warum.” Er ging ungezwungen durch das Zimmer, und Lily gratulierte sich dazu, es geschafft zu haben, dass er sich in der Vergangenheit wohl fühlte. Immerhin war das früher nie der Fall gewesen.
“Ich werde dir den Nacken massieren.”
“Ich würde eine Ganzkörpermassage bevorzugen.”
“Das steht nicht in meinem Vertrag, Kumpel.”
“Ich bin bereit, neu zu verhandeln.”
“Ich höre.” Sie wollte auch eine Neuverhandlung. Wollte mehr sein als nur seine Geliebte. Vielleicht war er so weit, einzugestehen, dass sie ein gemeinsames Leben führen konnten – ein Leben als Mann und Frau.
“Wie hört sich eine Reise inklusive aller Kosten und Spesen nach Barbados an?”
“Ein Urlaub?”
“Mehr ein verlängerter Arbeitsaufenthalt. Ich habe die Kaufverhandlungen abgeschlossen und kann jetzt mit der Arbeit beginnen. Was meinst du?”
“Das hört sich kompliziert an.” Liebend gern würde sie mit ihm auf eine paradiesische Insel reisen. Aber sie konnte nicht all die Monate mit ihm dort leben, die bis zur
Weitere Kostenlose Bücher