Ausgespielt
Verandatreppe und fächelte mir mit der zusammengefalteten Zeitung Kühlung zu. Zwar haben die meisten südkalifornischen Häuser eingebaute Sprinkler, aber nur wenige verfügen über zentrale Klimaanlagen. Ich würde einen Ventilator aus dem Schrank kramen und auf meiner Schlafgalerie aufstellen müssen, ehe ich mich aufs Ohr legen konnte.
In Nächten wie diesen strampeln sich kleine Kinder aus Nachthemden und Schlafanzügen heraus und schlafen in der Unterwäsche. Meine Tante Gin hat immer geschworen, dass mir kühler wäre, wenn ich mich im Bett um 180 Grad drehte, also die Füße aufs Kopfkissen und den Kopf auf die am Fußende verknäulten Decken legte. Sie war erstaunlich liberal, diese Frau, die mich aufgezogen hat, nachdem sie nie eigene Kinder geboren hatte. In diesen seltenen kalifornischen Nächten, in denen es zu heiß zum Schlafen war, erlaubte sie mir, die ganze Nacht aufzubleiben, selbst wenn ich am nächsten Tag Schule hatte. Dann lagen wir jede in unserem Schlafzimmer und lasen Bücher, während es im Trailer so still war, dass ich sie umblättern hörte. Was ich daran liebte, war das berauschende 154
Gefühl, dass wir gegen die Regeln verstießen. Ich wusste, dass
»echte« Eltern eine derartige Freizügigkeit wohl kaum geduldet hätten, doch empfand ich es als kleine Entschädigung für mein verwaistes Dasein. Irgendwann schlief ich unweigerlich ein.
Dann kam Tante Gin auf Zehenspitzen hereingeschlichen, nahm mir sacht das Buch aus den Händen und löschte das Licht. Wenn ich später aufwachte, war es um mich herum dunkel, und ich war zugedeckt. Seltsam, wie lange sich Erinnerungen halten, nachdem ein Leben erloschen ist.
Gerade als die Straßenlampen angingen, hörte ich das Telefon klingeln. Ich stand schwerfällig auf, trottete in die Wohnung und griff nach dem Hörer. »’lo?«
»Hier ist Cheney.«
»Ah, hallo. Ich habe nicht mit dir gerechnet. Was gibt’s?«
Im Hintergrund herrschte derartiger Lärm, dass ich mir die Hand aufs Ohr pressen musste, um ihn zu verstehen. »Was?«
»Hast du schon zu Abend gegessen?«
Ich hatte im Kino eine Tüte Popcorn verdrückt, doch ich fand, das zählte nicht. »Nicht direkt.«
»Gut. Ich bin in zwei Minuten da, dann gehen wir was essen.«
»Wo bist du denn?«
»Bei Rosie. Ich dachte, du wärst hier, aber da habe ich mich schon wieder getäuscht.«
»Vielleicht bin ich doch nicht so berechenbar, wie du geglaubt hast.«
»Das bezweifle ich. Hast du ein Sommerkleid?«
»Nein, das nicht, aber ich habe einen Rock.«
»Zieh ihn an. Ich bin’s leid, dich in Jeans zu sehen.«
Nachdem er aufgelegt hatte, stand ich da und starrte das Telefon an. Eine seltsame Entwicklung. Das Abendessen klang ganz nach einer privaten Verabredung, es sei denn, er hatte von 155
Vince Turner etwas über die Besprechung in der nächsten Woche gehört. Aber warum sollte ich einen Rock anziehen, um Informationen dieser Art entgegenzunehmen?
Langsam stieg ich die Wendeltreppe hinauf und überlegte, was ich zu dem Rock anziehen sollte. Ich setzte mich aufs Bett, streifte die Turnschuhe ab und zog die verschwitzten Klamotten aus, ehe ich duschte und mich in ein Handtuch wickelte. Als ich den Schrank aufmachte, entdeckte ich meinen braunen
Popelinerock. Ich nahm ihn vom Kleiderbügel und strich die Falten glatt. Dann zog ich frische Unterwäsche an und stieg in den Rock, wobei mir auffiel, dass der Saum kurz überm Knie endete. In der Kommode durchwühlte ich einen Stapel T-Shirts und wählte ein rotes mit Trägern aus, das ich mir über den Kopf zog und in den Rockbund stopfte. Nachdem ich noch ein Paar Sandalen angezogen hatte, ging ich ins Bad zurück und putzte mir die Zähne. Das alles war meine Art, Zeit zu schinden, bis ich wusste, was ich empfand.
Vor dem Waschbecken stehend studierte ich mein Spiegelbild.
Warum musste ich immer zwanghaft in den Spiegel starren, wenn Cheney anrief und sein Kommen ankündigte? Ich machte die Hände nass und fuhr mir durchs Haar, um es in Form zu bringen. Augen-Make-up? Nee. Lippenstift? Eher nicht. Das würde übertrieben wirken, wenn es wirklich um die
Finanzgeschichte ging. Ich beugte mich näher zum Spiegel. Na gut, nur einen Hauch Farbe. Konnte nicht schaden. Ich entschied mich für Kompaktpuder, einen schnellen Tupfer Lidschatten, Wimperntusche und korallenroten Lippenstift, den ich auftrug und wieder abwischte, so dass meine Lippen leicht rosa blieben.
Sehen Sie? Das ist der Nachteil von Beziehungen zu Männern –
man
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