Ausgespielt
wobei sie die Bügel auf Armeslänge von sich weg hielt, als wären es tote Ratten. Während ich in der Kabine wartete, zog sie durch die Verkaufsräume und durchkämmte die Regale. Sie kam mit sechs Teilen zurück, die sie mir eines nach dem anderen hinhielt und so die Illusion schuf, sie ließe mich selbst auswählen. Ich sträubte mich gegen ein Kleid und einen Rock, aber alles andere, was sie ausgewählt hatte, sah tatsächlich großartig an mir aus.
»Ich begreife nicht, woher Sie das alles wissen«, sagte ich und zog mich wieder an. Es ist mein ewiges Leiden, dass andere Frauen irgendwie ein Gefühl für Dinge haben, bei denen ich mir vorkomme wie ein Trampel. Es war wie Textaufgaben in Mathe.
Sobald ich in der Schule eine vor mir sah, bekam ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden.
»Sie kriegen es schon noch raus. Es ist eigentlich nicht besonders schwierig. Im Frauengefängnis war ich die
Stylingexpertin des Hauses. Haare, Make-up, Klamotten, alles.
Ich hätte Unterricht geben können.« Sie hielt inne und blickte auf die Uhr. »Sehen wir zu, dass wir weiterkommen, Zeit zum Feiern.«
Wir fuhren in südlicher Richtung auf dem Highway 101 dahin.
Reba saß am Steuer.
»Ich weiß ja nicht, ob das so klug ist«, sagte ich. »Warum wollen Sie in ein Lokal gehen, wo alle Alkohol trinken?«
»Ich gehe nicht zum Trinken hin. Ich habe seit dreiundzwanzig Monaten und vierzehneinhalb Tagen nichts mehr getrunken.«
»Warum wollen Sie sich dann jetzt in Gefahr begeben?«
»Das habe ich Ihnen schon gesagt. Weil Onni dort ist. Sie geht jeden Donnerstagabend aus, um Männer aufzureißen.« Ich öffnete den Mund zu einem Protest, doch sie warf mir einen schnellen 195
Blick zu. »Sie sind nicht meine Mutter, klar? Ich verspreche, dass ich meinen AA-Paten anrufe, sobald ich nach Hause komme.
Zumindest würde ich ihn anrufen, wenn ich einen hätte.«
Das Bubbles war ein Wein-und-Champagner-Bistro in
Montebello, das früher einmal im Verein mit dem Edgewater Hotel und einer weiteren teuren Piano-Bar namens Spirits gute Geschäfte gemacht hatte. Die drei Lokale lagen mit dem Auto nicht weit entfernt voneinander und bildeten ein Dreieck, das von allen reichen und begehrten Singles besucht wurde, die sich damals auf dem freien Markt tummelten. Alle drei hatten sich in Sachen Atmosphäre schwer ins Zeug gelegt – Glanz und Glitter, Live-Musik, kleine Tanzflächen und gedämpfte Beleuchtung.
Die Drinks waren kostspielig und wurden in überdimensionalen Gläsern serviert, während das Essen Nebensache und lediglich dazu gedacht war, dass man es, ohne einen tödlichen Unfall zu bauen, wieder nach Hause schaffte.
Mitte der Siebzigerjahre wurde das Bubbles aus unerfindlichen Gründen zu einem Anziehungspunkt für Begleitagenturen mit Luxus-Callgirls und »Models« aus Los Angeles, die zu anspruchsvollen Liebesdiensten nach Montebello reisten.
Irgendwann nahm der Kokainkonsum überhand, bis der
Bezirkssheriff einschritt und den Laden dichtmachte. Ich war gelegentlich dort gewesen, da mein zweiter Mann Daniel Jazzpianist war und abwechselnd in allen drei Nachtclubs gespielt hatte. Schon zu Beginn unserer Beziehung hatte ich begriffen, dass ich ihn, wenn ich ihn nicht dorthin begleitete, vielleicht bis zum Frühstück am nächsten Morgen nicht mehr zu Gesicht bekäme. Er behauptete immer, er sei noch mit den Jungs
»spielen« gewesen, was sich später sowohl im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne als wahr erwies.
Wir hielten links vom Eingang. Reba gab dem Parkwächter ihre Autoschlüssel, und wir gingen hinein. Männer in Anzügen und Sakkos standen in fünf oder sechs Reihen an der Bar und taxierten unsere Brüste und Pos, als wir an ihnen vorbeikamen.
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Reba suchte rasch die Tische ab, während ich ihr folgte. Das Bubbles hatte sich nicht verändert. Die Beleuchtung stammte überwiegend von den wuchtigen Aquarien, die vor den Wänden standen und eine Sitzecke von der nächsten trennten. Im Hauptraum gab es eine Bar, um die sich in U-Form Nischen und vereinzelte Zweiertische gruppierten. Im zweiten Raum hatte sich eine Jazz-Combo – Klavier, Saxophon und Bass – auf einer breiten Bühne über einer Tanzfläche vom Format eines Trampolins postiert. Die Musik war entspannend – eingängige Melodien aus den Vierzigerjahren, die einem noch tagelang durch den Kopf gehen würden. Dies war kein Lokal, in dem sich laute Stimmen erhoben oder brüllendes Gelächter den Fluss gepflegter Gespräche durchbrach.
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