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Ausgewechselt

Ausgewechselt

Titel: Ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Zannoner
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anderer Kunde einmischte: »Machen Sie bitte Platz, was gibt’s denn da zu diskutieren?« Wieder ein anderer drängte sich vorbei und murmelte: »Entschuldigung, aber ich habe es eilig … « Die Verkäuferin wurde ungeduldig, denn an der Tür bildete sich jetzt ein Stau, niemand konnte raus, niemand rein. Erst als ein alter Mann auftauchte, der am Stock ging, löste sich wie von Zauberhand der Stau auf, offensichtlich waren zwei Behinderte in einem Geschäft zu viel des Guten. Der Alte legte den Kopf schief, stützte den Oberkörper auf den Stock und sagte: »Ah! Es wird wirklich Zeit, dass ihr diese zentnerschwere Tür austauscht, um die zu öffnen, muss man ja Maciste sein!«
    »Wer ist Maciste?«, habe ich gefragt, aber nur, um meine Stimme zu hören, denn dieser kleine Zwischenfall hatte mich völlig erledigt.
    »Irgendein Muskelprotz aus der Antike«, hat der Alte geantwortet.
    Gisella hat immer Angst, wenn ich ihr sage, dass ich eine Runde ums Haus machen will. Ich weiß genau, dass sie jedes Mal auf dem Balkon steht und mir hinterhersieht, bis ich um die Ecke gebogen bin. Und ich weiß auch, dass sie sich sehr zusammenreißen muss, um mich nicht auf dem Handy anzurufen, wenn ich nach einer Viertelstunde noch nicht zurück bin. Sie hat Angst, dass jemand mich anstoßen könnte oder dass der Rollstuhl in einem Loch im Bürgersteig stecken bleibt oder dass ich umkippe, während ich über eine Unebenheit fahre. Aber am meisten Angst hat sie, dass mich jemand, der mir behilflich sein will, aus dem Rollstuhl kippt. Ein solches Erlebnis hat David vor einiger Zeit gehabt, der an zwei Stöcken geht. Er kam im unwegsamen Gelände nur mühsam vorwärts, als ein guter Samariter anbot, ihm zu helfen. David lehnte das höflich ab, mit der Folge, dass er unsanft am Boden landete, weil der Samariter offenbar beleidigt war. David ist in Panik geraten und hat wie am Spieß gebrüllt. Das Ende vom Lied: Er wurde im Krankenwagen abtransportiert.
    Auf der anderen Seite kann man auch nicht wie eine Amöbe leben, die an einem Einsiedlerkrebs klebt. In meinem Fall ist der Einsiedlerkrebs meine Mutter. Sie arbeitet kaum noch, sie hat Sonderurlaub beantragt, um mich rund um die Uhr bemuttern zu können. Wenn man uns zusammen sieht, steigt der Mitleidslevel der Leute exponentiell an, die Gedanken stehen ihnen ins Gesicht geschrieben: »Die arme Frau mit ihrem behinderten Sohn, eine unermessliche Tragödie für eine Mutter.« Manche sprechen mit mir wie mit einem kleinen Kind und ich antworte im gleichen leiernden Tonfall, anschließend sage ich zu Gisella: »Los jetzt, ich komme sonst zu spät zu meiner Atomphysik-Vorlesung.« Noch schlimmer sind die, die mich bewusst ignorieren, ich stelle eine Frage und sie antworten meiner Mutter, als ob ich taub oder ihrer Aufmerksamkeit nicht würdig sei. Deshalb ist es besser, den Einsiedlerkrebs zu Hause zu lassen und mich alleine auf den Weg zu machen, dann gibt es wenigstens kein Babyphon als Kommunikationshilfe und die Leute müssen sich direkt mit mir auseinandersetzen. Mit einem, der einen halben Meter weiter unten ist, im Rollstuhl, aber der trotzdem sehr gut sehen, hören und fühlen kann und sie zu der Erkenntnis zwingt, dass man nicht unbedingt gehen können muss, um intelligenter zu sein als sie.
    Gisella seufzt erleichtert auf, als sie den Schlüssel im Schloss hört und eilt an die Tür.
    »Alles in Ordnung?«
    »Klar.«
    »Wo warst du?«
    »Ich habe eine Runde gedreht, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Bist du bis auf der Piazza gewesen?«
    »Mama!« Verzweifelt recke ich die Arme in die Luft.
    »Entschuldige, ich wollte es nur wissen. Hast du jemanden getroffen?«
    »Wen sollte ich denn treffen?«
    »Keine Ahnung, irgendjemanden. Du warst lange weg.«
    Ich werfe einen Blick auf die Uhr an der Küchenwand. »Etwa eine Stunde.«
    »Kommst du mit, Jona abholen?«
    »Lieber nicht.«
    »Dann bitte ich Marta, ihn abzuholen.«
    »Mama!« Ich bin wieder genervt. Ich wünschte, sie würde öfter mal das Haus verlassen, meinen Bruder vom Kindergarten abholen, einkaufen gehen oder eine Freundin besuchen, was auch immer, Hauptsache, sie ist nicht hier bei mir! Wenn sie Jona abholt, nutze ich meistens die Gelegenheit und drehe noch eine Runde. Aber ich hinterlasse immer eine Nachricht. Trotzdem kommt mit schöner Regelmäßigkeit ihr unvermeidlicher Anruf: »Du bist noch mal raus? Jona möchte mit dir spielen!«
    »Sag ihm, wir spielen später.«
    »Wo bist du?«
    »Im Park.«
    »Im Park?«

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