Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auslegware

Auslegware

Titel: Auslegware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ashan Delon
Vom Netzwerk:
Holger war dort gewesen, auch Marius. Und ich hatte ihn nicht gesehen.
    Natürlich. Weil ich mich von dem Travestiekünstler hatte ablenken lassen.
    Oh, verflucht. Wenn er mich nun mit dem Kerl gesehen hatte … Er musste denken, dass ich auf solche Typen stehe …
    „Ich … äh“, druckste ich mühsam heraus. Ich wusste nicht, wie ich es ihm erklären sollte. Mir war das Ganze absolut peinlich. Nicht nur, weil ich mit diesem Showgirl gesehen wurde, sondern auch noch, weil ich dort einem meiner Kollegen über den Weg gelaufen war, und zweifellos auch noch einer der Kunden. Nun war es wahrscheinlich nicht mehr aufzuhalten. Es würde nicht mehr lange dauern, ehe der ganze Markt Bescheid wusste, mit ihm auch Andrea, Amanda und mein Chef.
    Ich war jetzt schon meinen Job los.
    „Hast du mich deswegen abblitzen lassen?“, wollte Marius wissen. „Weil du mich nicht erkannt hast?“
    Erneut blickte ich verwirrt drein. Ich ging fieberhaft die ganzen Kerle von gestern Abend durch, die ich schroff abgewiesen hatte. Aber so blind und so volltrunken war ich doch gar nicht gewesen, um Marius nicht zu erkennen, wenn er sich mir genähert hätte? Ich wäre vermutlich genauso überrascht gewesen, wie er oder wie Holger.
    Vielleicht hatte sich Marius im Hinterzimmer befunden, wo man nicht viel hatte erkennen können? Da hätte mir sein Anblick leicht entgehen können. Aber direkt abblitzen lassen, hatte ich dort keinen.
    „Ähm … wahrscheinlich“, gab ich ausweichend von mir. Keiner von den Kerlen, mit denen ich im Klub zu tun gehabt hatte, hatte Marius auch nur annähernd ähnlich gesehen. Keiner von ihnen hatte diese leuchtenden blauen Augen besessen, diesen anmutigen Gang, dieses umwerfende Lächeln …
    „Du weißt immer noch nicht, wer ich bin“, sagte er mir auf den Kopf zu.
    „Nein, nicht wirklich“, gestand ich.
    „Mary“, kam er endlich mit der Sprache raus. „Ich bin Mary, der Travestiekünstler, der gestern im Gay-Klub aufgetreten ist.“
    „Du …?“ Meine Stimme war nur noch ein Keuchen. Entsetzen machte sich in mir breit. Mein Herz überschlug sich. Ich taumelte rückwärts, bis ich an das Sofa stieß und hineinplumpste. „Scheiße!“, entkam es mir. „Du … bist …?“ Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich konnte es nicht fassen. Das Entsetzen schlug jedoch rasch in Wut um. Noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, fuhr ich ihn auch schon voller Zorn an. „Hat es Spaß gemacht, mich zu verarschen?“ In mir kochte es gewaltig hoch.
    „Ich hab dich nicht …“, kam es verwirrt durch das Telefon. Weiter kam er nicht, weil ich das Gespräch einfach abwürgte. Ich konnte seine Stimme nicht mehr länger ertragen. Seine wenig männliche Stimme, die so zart und feminin klang und die mir gestern den Verstand geraubt hatte.
    Verflucht! Warum hatte ich mir den Kerl nicht genauer angesehen? Dann hätte ich vielleicht Marius in ihm erkannt. Wie blind und benebelt war ich eigentlich gewesen?
    Natürlich!
    Endlich fanden sich in meinem Kopf einige lose Enden des Netzes zusammen. Marius, der feingliedrige Typ, der durch sein Tanztraining so durchtrainiert war, dass er aus dem Schneidersitz in den Stand springen konnte und kleine Sixpacks auf dem Bauch spazieren trug. Dessen Stimme durch das Singen so melodiös, wie der Sirenenklang war, und mich verzaubert hatte. Dessen Lächeln auf der Bühne geschult worden war und mit welchem er sein Publikum, Andrea und mich eingenommen hatte.
    Und ich war voll drauf reingefallen.
    Wie konnte ich nur so blöd sein?
    Da war ich auf der Suche nach einem geeigneten Opfer und unversehens selbst zu einem geworden.
    Holger musste es gewusst haben. Er hatte mich ja ausdrücklich davor gewarnt, hatte mir immer wieder Andeutungen gemacht. Oh Mann. Vermutlich lag er gerade in Franks Armen und kringelte sich vor Lachen.
    Das würde am Montag ein echter Spießrutenlauf werden. Ich konnte es förmlich sehen, wie sie hinter meinem Rücken tuschelten, sich köstlich amüsierten und Gerüchte über mich verbreiteten. Von allen Fettnäpfchen, in die ich hätte treten können, war das wohl das Unangenehmste.
    Ich konnte mich da unmöglich noch sehen lassen. Ich würde zum Gespött schlechthin werden. Am Besten wäre es, wenn ich blaumachte – die ganze Woche, bis Gras über die Sache gewachsen war und sich niemand mehr daran erinnerte.
    Noch nie in meinem Leben hatte ich blaugemacht, selbst nicht, als ich mir vor zwei Jahren bei einem Tennismatch so den Fuß verstaucht hatte, dass

Weitere Kostenlose Bücher