Ausradiert: Thriller (German Edition)
sie aus der Höhle. Sie fiel in den Schacht, rollte weg, in die richtige Richtung.
»Was zum Teufel«, brüllte Elaine direkt hinter ihm; das Licht schwankte jetzt.
Nick warf sich mit voller Kraft mit der Schulter gegen den Stützbalken. Ein lautes Krachen ertönte. Dann ein donnerndes Geräusch vom Querbalken darüber. Etwas traf ihn, wirbelte ihn herum. Die Taschenlampe flog durch die Luft. Einen Moment schien das Licht auf Elaine, enthüllte das aufdämmernde Begreifen, während es ihr Gesicht streifte, die erste Andeutung von Angst und Wut. Dann krachte ein wagengroßer Felsen aus der Dunkelheit herab und begrub sie unter sich. Danach: ein krachender Donner, sogar lauter als der, den Samson gehört haben musste, und der Berg stürzte ein.
Nicht tot? Das war absolut nicht seine Absicht gewesen. Vollkommene Finsternis, Arme, Beine, Körper unfähig, sich zu rühren, aber er atmete. Diese Lebenskraft in ihm – er verstand sie nicht.
Aber Atmen bedeutete Luft, und er konnte die Gesichtsmuskeln bewegen, den Mund öffnen, den Kopf drehen. Sein Kopf, dieser kleine Teil von ihm, ruhte sicher in einer Luftblase. Er lauschte, hörte gedämpfte Stille. Dann spürte er winzig kleine Füße, die über sein Gesicht krabbelten: die Spinne. Sie trippelte in seine Haare, in sein Ohr und wieder hinaus, verschwand.
Klopf, klopf, klopf, ebenso gedämpft. Dann panische Rufe: »Mr. Petrov? Leben Sie noch?« Gefolgt von Husten.
»Ja«, erwiderte Nick.
Stille. Vielleicht hatte sie ihn nicht gehört.
Er hob die Stimme. »Ich lebe noch.«
»Gott sei Dank«, sagte sie. Mehr Husten. Dann ein Scharren und das Poltern von Steinen, ganz nah.
»Geht es dir gut?«, fragte er.
»Ja.«
»Bist du eingeschlossen?«
»Nein.«
»Ist der Tunnel frei?«
»Ich weiß nicht.«
»Hast du deine Streichhölzer noch?«
Pause. »Ja.«
»Zünd eins an.«
Eine weitere Pause. Kein Licht fiel in Nicks kleines Loch. Amanda sagte: »Er sieht frei aus.«
»Dann lauf raus«, sagte Nick. »Folge den Schienen. An der Gabelung links.« Aber er wollte nicht, dass sie in diese Lore schaute; wollte die schlechten Nachrichten zurückhalten, die auf sie warteten.
Scharren, weiteres Scharren, wieder polterten Steine.
»Amanda?«
»Ja.«
»Was machst du da?«
Hust, hust. »Sie ausgraben.«
»Hör sofort auf damit«, befahl er. »Es ist zu gefährlich.«
Scharr, scharr.
»Ich sagte aufhören. Lauf raus.«
Scharr, scharr. Sie grub weiter. Nick gab es auf, ließ ein überzeugendes Argument fallen, das er sich ausgedacht hatte – Riskier nicht dein Leben für mich. Ich sterbe sowieso. Amanda musste das nicht hören, und er musste es nicht sagen. Man hört zu kämpfen auf, wenn man nicht länger kämpfen kann. Er konnte kämpfen.
Scharr, scharr, polter, polter. Nur fiel diesmal ein kleiner Stein in sein Loch, prallte von seiner Nase ab. Ein paar Sekunden später berührte etwas Warmes und Weiches sein Gesicht: ihre Hand. Sie tastete suchend umher.
»Sind Sie das?«, fragte sie.
35
D r. Tully hielt die Aufnahme ins Licht, damit Nick sie sehen konnte. Er deutete auf die wolkigen Flecken. »Hier«, sagte er. »Hier und hier.« Er runzelte die Stirn, sah etwas genauer hin. »Da vielleicht auch«, meinte er. »Den haben wir übersehen.«
»Also hat es sich ausgebreitet«, sagte Nick. »Keine Überraschung. Die Frage ist, was wir dagegen unternehmen werden?«
Das war es, was Dr. Tully hören wollte, auch wenn ihm der Ton vielleicht nicht gefiel. Er steckte die Aufnahmen zurück in den großen Ordner, rieb sich voller Begeisterung die Hände. »Stereotaktische Bestrahlung, monoklonale Antikörper«, zählte er auf. »Und zusätzlich ein oder zwei neuere Sachen, die, ob Sie es glauben oder nicht, noch nicht zur Verfügung standen, als Sie das erste Mal hier waren. Aber zunächst die Bestrahlung – ich würde gern morgen anfangen.«
»Wie sind die Nebenwirkungen?«
»Das ist natürlich ganz unterschiedlich«, sagte Dr. Tully. »Es variiert ständig. Möglich sind Gewebeschädigungen, aber die können wir normalerweise behandeln. Und geistige Verwirrung, aber hoffentlich nur vorübergehend.«
»Dann müssen wir bis nach der Hochzeit warten«, entschied Nick. Geistige Verwirrung bei der Trauung kam nicht in Frage. Er übergab Dr. Tully eine Einladung. Dr. Tully lief vor Freude rosa an. Nick war im Fernsehen und in allen Zeitungen gewesen. Die Hochzeit war das Ereignis in der Stadt.
Nick und Billie wurden an einem schönen Tag um Thanksgiving
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