Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausritt im Park

Ausritt im Park

Titel: Ausritt im Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bringston
Vom Netzwerk:
stammte direkt vom berühmten Darley Arabian ab, eines der drei Gründerpferde der englischen Vollblutzucht. Er war zwar nicht mehr der Jüngste, aber immer noch so eigensinnig wie am ersten Tag. Nur ich konnte Artos reiten. Alle anderen, die es versucht hatten, fanden sich schon wieder auf dem Boden, bevor sie überhaupt richtig im Sattel gesessen hatten. Aber ich konnte mich auf Artos verlassen. Außerdem war er das Geschenk meines Vaters zu meiner Volljährigkeit gewesen. Ich freute mich schon darauf, ihn wieder unter mir zu fühlen.
    Heute Morgen sollte es wieder in den Park gehen. Ich zog meine kurze Reitjacke über und ging zum Stall hinüber, um nach meinem Vollblüter zu sehen. Beim Gang über den weiten Hof atmete ich tief die frische Morgenluft ein. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen aus, die mein Gesicht wärmten. Es würde ein wunderbarer Tag werden. Es war nur ein kurzer Weg von der Kings Road zum weitläufigen Hyde Park, in dem die feine Londoner Gesellschaft sich sehen ließ, um gesehen zu werden. Erst vor ein paar Wochen hatte ich dort an der königlichen Hofjagd von George III. teilnehmen dürfen. Ein Privileg, das den Wilkins nun schon seit vielen Generationen zustand. Der Park, mit den breiten Alleen und uralten Baumbeständen im Herzen von London, galt als gutes Jagdrevier. Es gab zwar immer wieder Gerüchte, dass extra für die Jagdgesellschaften das eine oder andere Wildstück ausgesetzt worden sei, aber am Ende des Tages waren alle Jäger und besonders der König mit der erlegten Jagdbeute mehr als zufrieden gewesen.
    Ein anderes Gerücht hatte sich allerdings inzwischen als traurige Wahrheit herausgestellt. Hitzige junge Männer trafen sich im Morgengrauen zu unerlaubten Duellen in versteckten Winkeln des Parks. Nicht immer kamen die Rivalen nur mit aufgeschlitzten Wangen davon.
    Ich selbst konnte dieser Tradition nichts abgewinnen. Wenn ich meinen Degen mit einem anderen Mann kreuzen wollte, dann nur, wenn dieser sich als hartes pochendes Eisen zwischen unseren Lenden erhob. Auf diese Art waren mir allerdings die versteckten Winkel im Hyde Park in hellen Mondnächten mehr als vertraut.
    Auch heute Morgen schien sich mein Schwert in der engen Reithose daran zu erinnern. Oder war es diese gespannte Ungewissheit, ob der unbekannte Reiter heute wieder auftauchen würde? Ich hoffte es so sehr. Ein freudiges Kribbeln machte sich in meiner Lendengegend breit. Am letzten Sonntag war er mir das erste Mal aufgefallen. Ein stattlicher junger Mann auf einem schwarzen Hengst. Der mustergültige Gang des Pferdes und die perfekt abgestimmten und geschmeidigen Bewegungen des Reiters hatten sofort meine Neugier geweckt. Seine streng nach hinten gebundenen Haare passten gut zu den markant geschnittenen Gesichtszügen und den dunklen Augen. Sein fester Blick war geradeaus gerichtet. Ruhig und konzentriert ritt er an mir vorbei.
    Am nächsten Tag sah ich ihn schon von Weitem. Ich verlangsamte den Schritt meines Hengstes. Seine feinen, vollen Lippen wirkten verkniffen, als wollte er mit Gewalt eine Regung vermeiden. Er sah mich nicht. Ebenso wenig wie an den folgenden beiden Tagen. Mein Herz pochte schon morgens in aller Früh nach dem Aufwachen, wenn ich an ihn dachte. Warum nur zog mich dieser Mann so an?
    Gestern hatte ich all meinen Mut zusammen genommen und war absichtlich sehr nahe auf ihn zugeritten, als er mir auf der breiten Allee entgegen kam. Ich sah ihm direkt in die Augen und hob die Hand zum Gruß an meinen Hut. Einen kurzen Augenblick schien er irritiert. Unsere Augen trafen sich. Erstaunt öffnete er seinen Mund, als wollte er etwas sagen. Dann war er schon vorbei.
    Ich zügelte Artos und sah ihm nach. Auch er sah sich um. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Zum ersten Mal, seitdem ich ihn gesehen hatte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er lächelte mich an. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und verschwand in einer dunklen Staubwolke. Warum war er nicht auch stehen geblieben? War er vielleicht sogar vor mir geflüchtet. Aber warum hatte er dann gelächelt? Es war ein warmherziges Lächeln gewesen, dessen jedenfalls war ich mir ganz sicher. Selbst die dunklen Augen hatten mir zugelächelt.
    Heute wollte ich es wieder versuchen. Immer noch in meinen Gedanken versunken erreichte ich den Stall, vor dem Artos bereits fertig gesattelt angebunden stand.
    »Nun, William, was macht das Eisen am Vorderhuf?«, fragte ich den Stallburschen, der gerade noch einmal den Bauchgurt festzog.
    »Sie hatten

Weitere Kostenlose Bücher