Aussicht auf Sternschnuppen
Tasche stopfte, fiel mein Blick auf mein Handy. Ich hatte eine SMS bekommen. Von meiner Mutter.
„Ruf mich zurück. Es ist dringend.“
Sofort stiegen Schuldgefühle in mir auf. Fee musste ihr von meiner Italienreise erzählt haben. Ich deutete Nils an, dass ich telefonieren musste und setzte mich auf eine Bank, ein wenig abseits der Mexikaner.
Mein Vater meldete sich. „Karl-Heinz Baum.“
„Papa, hallo. Hier ist Helga. Geht es dir …“
Ich wurde wie üblich unterbrochen. „Du möchtest bestimmt mit deiner Mutter sprechen?“
„Ja, gib’ sie mir, aber ich kann auch gerne …“ Doch erneut konnte ich meinen Satz nicht beenden.
„Ludmilla! Deine Tochter ist am Telefon“, hörte ich ihn durchs Haus rufen.
Ich musste lachen. Warum versuchte ich nur immer wieder, meinem Vater am Telefon ein paar persönliche Worte zu entlocken? Über die Begrüßungsfloskeln kamen wir nur selten hinaus. Mit meiner Mutter telefonierte ich im Schnitt eine Stunde in der Woche. Mit meinem Vater lediglich die zehn Sekunden, die er brauchte, um mich an sie weiterzuleiten.
„Gut, dass du anrufst!“, meldete sich meine Mutter ein wenig atemlos. „Du glaubst nicht, was passiert ist.“
„Was denn?“, fragte ich vorsichtig.
„Lilly und Torsten sind verlobt.“
„Ach!“ Ich atmete erleichtert aus. „Aber das weiß ich schon.“
„Wieso weißt du das?“
„Lilly hat mich gestern Abend angerufen.“
„Wirklich? Bei uns hat sie sich nicht gemeldet.“ Meine Mutter schien ein wenig enttäuscht. „Ich habe es gerade von Mia erfahren.“
„Aber sie darf euch doch auch gar nichts sagen“, versuchte ich sie zu trösten. „Torsten muss schließlich zuerst bei euch um ihre Hand anhalten und das wollte er bestimmt nicht per Fax, Email oder am Telefon tun. Mia ist eine Quasselstrippe. Sie hätte dir überhaupt nichts von der Verlobung erzählen dürfen.“
„Du hast Recht. Mir wäre es ja gleich gewesen, aber dein Vater hätte sich bestimmt geärgert, wenn Torsten nicht persönlich bei uns vorbeigekommen wäre.“ Sie klang ein klein wenig versöhnter. „Aber es gibt auch noch etwas, über das ich mit dir sprechen wollte.“
„Können wir das nicht ein anderes Mal tun. Gerade jetzt passt es mir überhaupt nicht“, versuchte ich sie abzuwimmeln. Doch vergeblich.
„Diese schrecklichen Aibls!“
Ich stöhnte auf. Wenn Milla von ihren Nachbarn, „den schrecklichen Aibls“, anfing, war die Chance, das Gespräch in den nächsten Minuten beenden zu können, gleich Null.
„Es ist furchtbar. Er hat wieder eine Arbeit, der Aibl. Als LKW-Fahrer.“
„Und darüber beschwerst du dich? Vorher hast du gejammert, dass er den ganzen Tag auf dem Balkon sitzt und dir auf deinen Vorgarten starrt.“
„Ja, aber warum gerade eine Stelle als LKW-Fahrer?“, fragte Milla gequält. „Weißt du, wo er das Monstrum parkt? Direkt vor unserem Gartentor. Also quasi vor meinem Schlafzimmerfenster. Und nicht nur, dass er mir mit dem Ding die Aussicht verdirbt, nein, er fährt damit auch noch in aller Herrgottsfrühe los. Jedes Mal falle ich vor Schreck fast aus dem Bett, wenn er den Motor anlässt, und mittlerweile bin ich schon so sensibilisiert, dass ich auch am Wochenende um kurz vor fünf aufwache.“
„Warum bittest du ihn nicht, den LKW woanders zu parken?“
„Das geht nicht.“
„Warum nicht?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Denn im Gegensatz zu dem armen Herrn Aibl ging meine Mutter keiner geregelten Arbeit nach und hatte jede Menge Zeit.
„Er darf dort parken. Ich habe mich bereits auf der Gemeinde erkundigt.“
„Und was machst du nun, um wieder zu deinem Zehn-Stunden-Schlaf zu kommen? Mit Ohropax schlafen?“
„Nein. Das nutzt nichts. Ich habe mir etwas anderes ausgedacht. Willst du es hören?“
„Erzähl!“, erwiderte ich seufzend.
„Was hältst du davon, wenn ich versuche, mein Auto so zu stellen, dass der LKW keinen Platz mehr auf dem Parkstreifen hat.“
„An sich eine wunderbare Idee. Aber du fährst einen Corsa und keine Stretchlimou. Der Parkstreifen ist bestimmt 15 Meter lang.“
„Ja, aber es parken außer dem Corsa schließlich auch noch andere Autos dort. Ich müsste mich also nur strategisch geschickt hinstellen. Leider hat dein Vater mal wieder überhaupt kein Verständnis für mich und will den Passat weiterhin in der Garage parken.“
Ich konnte mir lebhaft das Gesicht meines Vaters vorstellen, als meine Mutter ihm ihren Plan unterbreitet hatte.
„Und was
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