Aussicht auf Sternschnuppen
ist, wenn jemand anderes sein Auto wegfährt?“
„Das ist der einzige Knackpunkt an meinem Plan. Aber auch für diesen Fall habe ich mir etwas überlegt: Sobald ich höre, dass jemand wegfährt, parke ich den Corsa einfach um. Was hältst du von meiner Idee?“
„Abgesehen davon, dass ich immer noch denke, dass es am einfachsten wäre, Herrn Aibl auf dein Schlafproblem anzusprechen, brillant.“
„Jetzt wirst du ironisch“, schmollte Milla.
„Nein, der Plan ist zwar etwas zeitintensiv, aber in Ordnung. Besser jedenfalls, als wenn du ihm die Reifen kaputt stechen oder anonyme Drohbriefe schreiben würdest.“
„Das würdest du mir zutrauen?“
„Nein.“ Das tat ich wirklich nicht. Meine Mutter war zwar verrückt, aber nicht gemeingefährlich. „Ich muss jetzt aufhören. Der Akku ist gleich leer.“ Meine übliche Ausrede. Ich hatte sie schon so oft benutzt, dass ich mich wunderte, dass meine Mutter mir noch keinen neuen gekauft hatte.
„Warte noch einen kleinen Moment. Sollen wir morgen Abend zusammen essen gehen? Giuseppe ist schließlich in Italien und dein Vater muss zu einer Tagung nach Bonn.“
„Nein, dieses Wochenende ist schlecht. Ich muss arbeiten. Das nächste passt besser.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
„Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du das einzige meiner Kinder bist, das mir nie Ärger gemacht hat und das mir immer zuhört?“
„Schon des Öfteren.“ Wenn die wüsste! „Bis nächste Woche.“ Erleichtert legte ich auf.
Mittlerweile hatte Nils sich wieder zu mir gesellt. Ich stand auf und wir schlenderten zurück in die Altstadt von Viareggio.
„Das war meine Mutter“, erklärte ich ihm auf unserem Weg, nur für den Fall, dass er einige skurrile Passagen des Gesprächs mitbekommen hatte. „Sie hat mal wieder Ärger mit ihren Nachbarn.“
„Was ist mit denen?“, fragte er amüsiert.
„Eigentlich nichts. Es gibt nur sehr viele von ihnen. Mama Aibl, Papa Aibl, Oma Aibl, Opa Aibl, Baby Aibl und eine ganze Menge halbwüchsiger Kinder, die sich nur durch ihre Größe und Haarlänge voneinander unterscheiden. Meine Mutter dachte lange Zeit, dass sie die Zahl auf sechs eingegrenzt hätte, doch dann musste sie feststellen, dass es einen der Aibl-Jungen doppelt gibt.“
Nils lachte.
„Sie sind erst vor einem Jahr gegenüber von meinen Eltern eingezogen. Am Anfang hat sich meine Mutter noch bemüht, nett zu ihnen zu sein und keine Vorurteile zu haben. Aber dann hat sie herausgefunden, dass die Zähne aller erwachsenen Aibls zusammengenommen maximal ein vollständiges Gebiss ergeben. Und beim Thema Zahnpflege hört bei ihr der Spaß auf. Meine Schwestern und ich waren so oft beim Zahnarzt, dass wir ihn irgendwann Onkel Hans nennen durften. Und wir mussten alle jahrelang eine feste Spange tragen.“
„Na ja, bei dir zumindest hat es sich gelohnt“, sagte Nils mit einem wohlwollenden Blick auf meinen Mund. „Und deine Zähne sind wirklich alle echt?“
„Natürlich“, antwortete ich irritiert.
„Es ist selten, dass jemand von Natur aus so schöne Zähne hat wie du.“
Ich wurde rot und wandte mein Gesicht ab. Auf was dieser Mensch so alles achtete! Aber vermutlich blieb einem in seiner Branche nichts anders übrig.
„Äh, auf jeden Fall tun mir ihre Kinder irgendwie leid“, kam ich wieder auf mein ursprüngliches Thema zurück. „Du hast auf unserer Fahrt von den Kids am Hasenbergl erzählt. Dass sie niemals eine richtige Chance im Leben haben werden, weil ihre Eltern sich nicht richtig um sie kümmern. Bei den Aibls ist es genauso. Sie laufen herum, wie aus einem Charles-Dickens-Film entsprungen. “
„Du magst Kinder, nicht wahr?“, fragte Nils.
Ich dachte an den kleinen Jungen am Strand und nickte. „Zumindest bis sie in die Pubertät kommen. Und du?“
„Vor ein paar Jahren hätte ich dir Stein und Bein geschworen, mir niemals selbst solche Plagen an den Hals zu hängen. Aber jetzt bin ich mir in dieser Hinsicht nicht mehr so sicher“, gab Nils zu. „Ich nehme an, das ist ein Zeichen dafür, dass ich langsam alt werde.“
„Nein. Eher für beginnende geistige Reife. Du wirst bestimmt ein guter Vater.“
„Warum meinst du das?“
„Mir gegenüber hast du dich nach meinem Faux Pas mit dem Autoschlüssel und meiner … kleinen Unpässlichkeit zumindest recht fürsorglich benommen“, antwortete ich.
„Außerdem habe ich über die Jahre eine Menge persönlicher Erfahrung damit gesammelt, was man in der Kindererziehung alles
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