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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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ihnen verlangen; sobald sie dieß verstehen, sind sie stets und freudig willig, das Verlangte auszuführen; wogegen rohe und dumme Menschen dem von ihnen unaufgeklärten Thiere ihre Wünsche durch Züchtigungen beibringen zu müssen glauben, deren Zweck das Thier nicht versteht und sie deshalb falsch deutet, was dann wiederum zu Mißhandlungen führt, welche auf den Herrn, welcher den Sinn der Bestrafung kennt, angewendet, füglich von Nutzen sein könnten, dem wahnsinnig behandelten Thiere dennoch aber die Liebe und Treue für seinen Peiniger nicht beeinträchtigen. Daß in seinen schmerzlichsten Qualen ein Hund seinen Herrn noch zu liebkosen vermag, haben wir durch die Studien unserer Vivissektoren erfahren: welche Ansichten vom Thiere wir aber solchen Belehrungen zu entnehmen haben, sollten wir, im Interesse der Menschenwürde besser, als bisher es geschah, in ernstliche Erwägung ziehen, wofür uns zunächst die Betrachtung dessen, was wir von den Thieren bereits zuerst erlernt hatten, dann der Belehrungen, die wir noch von ihnen gewinnen könnten, dienlich sein dürfte.
    Den Thieren, welche unsere Lehrmeister in allen den Künsten waren, durch die wir sie selbst singen und uns unterwürfig machten, war der Mensch hierbei in nichts überlegen als in der Verstellung, der List, keinesweges im Muthe, in der Tapferkeit; denn das Thier kämpft bis zu seinem letzten Erliegen, gleichgiltig gegen Wunden und Tod: »es kennt kein Bitten, kein Flehen um Gnade, kein Bekenntniß des Besiegtseins.« Die menschliche Würde auf den menschlichen Stolz, gegenüber dem der Thiere, begründen zu wollen, würde verfehlt sein, und wir können den Sieg über sie, ihre Unterjochung, nur von unserer größeren Verstellungskunst herleiten. Diese Kunst rühmen wir an uns hoch: wir nennen sie »Vernunft«, und glauben uns durch sie vom Thiere stolz unterscheiden zu dürfen, da sie, unter Anderem, uns ja auch Gott ähnlich zu machen fähig sei, – worüber Mephistopheles allerdings wiederum seiner eigenen Meinung ist, wenn er findet, der Mensch brauche seine Vernunft allein, »nur thierischer als jedes Thier zu sein«. In seiner großen Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit versteht das Thier nicht das moralisch Verächtliche der Kunst abzuschätzen, durch welche wir es unterworfen haben; jedenfalls erkennt es etwas Dämonisches darin, dem es scheu gehorcht: übt jedoch der herrschende Mensch Milde und freundliche Güte gegen das nun furchtsam gewordene Thier, so dürfen wir annehmen, daß es in seinem Herrn etwas Göttliches erkennt, und dieses so stark verehrt und liebt, daß es seine natürlichen Tugenden der Tapferkeit ganz einzig im Dienste der Treue bis zum qualvollsten Tode verwendet. Gleich wie der Heilige unwiderstehlich dazu gedrängt ist, seine Gottestreue durch Martern und Tod zu bezeugen, ebenso das Thier seine Liebe zu seinem gleich göttlich verehrten Herrn. Ein einziges Band, welches der Heilige bereits zu zerreißen vermochte, fesselt das Thier, da es nicht anders als wahrhaftig sein kann, noch an die Natur: das Mitleiden für seine Jungen. In hieraus entstehenden Bedrängnissen weiß es sich aber zu entscheiden. Ein Reisender ließ seine ihn begleitende Hündin, da sie soeben Junge zur Welt brachte, im Stalle eines Wirthshauses zurück, und begab sich allein auf dem drei Stunden langen Wege nach seiner Heimath; des andern Morgens findet er auf der Streu seines Hofes die vier Säuglinge und neben ihnen die todte Mutter: diese hatte, jedesmal eines der Jungen nach heim tragend, viermal den Weg in Hast und Angst durchlaufen; erst als sie das letzte bei ihrem Herrn, den sie nun nicht mehr zu verlassen nöthig hatte, niederlegt, gab sie sich dem qualvoll aufgehaltenen Sterben hin. – Dieß nennt der »freie« Mitbürger unserer Zivilisation »hündische Treue«, nämlich das »hündisch« mit Verachtung betonend. Sollten wir hiergegen in einer Welt, aus welcher die Verehrung gänzlich geschwunden, oder, wo sie anzutreffen ein heuchlerisches Vorgebniß ist, an den von uns beherrschten Thieren nicht ein, durch Rührung belehrendes, Beispiel uns nehmen? Wo unter Menschen hingebende Treue bis zum Tode angetroffen wird, hätten wir schon jetzt ein edles Band der Verwandtschaft mit der Thierwelt keineswegs zu unserer Erniedrigung zuerkennen, da manche Gründe sogar dafür sprechen, daß jene Tugend von den Thieren reiner, ja göttlicher als von den Menschen ausgeübt wird; denn der Mensch ist befähigt in Leiden und Tod, ganz abgesehen

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