Auswahl seiner Schriften
bedingenden, historisch-politischen Gegenstandes, wie sie mir aufging, allerdings einem absoluten Schauspieldichter oder dramatischen Litteraten nicht entstehen konnte, sondern lediglich einem künstlerischen Menschen, der eine Entwicklung, wie die meinige es war, unter der Einwirkung des Geistes der Musik nahm. – Bereits als ich meine Pariser Periode besprach, theilte ich mit, daß ich die Musik und mein Innehaben derselben als den guten Engel ansähe, der mich, bei meiner Empörung gegen die schlechte moderne öffentliche Kunst, als Künstler bewahrte und vor einer bloß litterarisch-kritischen Thätigkeit behütete. Bei dieser Gelegenheit behielt ich es mir vor, den Einfluß näher zu bezeichnen, den meine musikalische Stimmung auf mein künstlerisches Gestalten ausübte. Ist die Beschaffenheit dieses Einflusses gewiß auch Keinem entgangen, der die Darstellung des Entstehens meiner Dichtungen aufmerksam verfolgte, so muß ich hier doch noch bestimmter darauf zurückkommen, weil gerade jetzt dieser Einfluß bei einer wichtigen künstlerischen Entscheidung mir zum vollen Bewußtsein kam. –
Noch mit dem »Rienzi« hatte ich nur im Sinne eine »Oper« zu schreiben; ich suchte mir zu diesem Zwecke Stoffe, und, nur um die »Oper« bekümmert, nahm ich diese aus fertigen, auch der Form nach bereits mit künstlerischer Absicht gestalteten Dichtungen; [Fußnote: Hierin kam ich also für das Formelle nicht weiter, als der geschickte Lortzing in seinem Fache, der sich ebenfalls fertige Theaterstücke als Operntexte zurecht machte.] ein dramatisches Märchen von Gozzi, ein Schauspiel von Shakespeare, endlich einen Roman von Bulwer richtete ich mir eigens zum Zwecke der Oper her. Beim Rienzi erwähnte ich bereits, daß ich den Stoff, wie es übrigens bei der Natur eines historischen Romanes gar nicht anders thunlich war, freier nach meinen Eindrücken von ihm bearbeitete, und zwar in der Weise, wie ich ihn – so drückte ich mich aus – durch die »Opernbrille« gesehen hatte. Mit dem »fliegenden Holländer«, dessen Entstehen aus besonderen eigenen Lebensstimmungen ich schon genauer bezeichnet habe, schlug ich eine neue Bahn ein, indem ich selbst zum künstlerischen Dichter eines Stoffes ward, der mir nur in seinen einfach rohen Zügen als Volkssage vorlag. Ich war von nun an in Bezug auf alle meine dramatischen Arbeiten zunächst Dichter , und erst in der vollständigen Ausführung des Gedichtes ward ich wieder Musiker. Allein ich war ein Dichter, der des musikalischen Ausdrucksvermögens für die Ausführung seiner Dichtungen sich im Voraus bewußt war; ich hatte dieses Vermögen so weit geübt, daß ich meiner Fähigkeit, es zur Verwirklichung einer dichterischen Absicht zu verwenden, vollkommen inne war, und auf die Hilfe dieser Fähigkeit beim Fassen dichterischer Entwürfe nicht nur sicher rechnen, sondern in dem Wissen hiervon diese Entwürfe selbst freier nach dichterischer Notwendigkeit gestalten konnte, als wenn ich sie mit besonderer Absicht für die Musik gestaltet hätte. Zuvor hatte ich die Fähigkeit des musikalischen Ausdruckes mir in der Weise anzueignen gehabt, wie man eine Sprache erlernt. Wer eine fremde, ungewohnte Sprache noch nicht vollkommen inne hat, muß in Allem, was er spricht, auf die Eigenheit dieser Sprache Rücksicht nehmen; um sich verständlich auszudrücken, muß er fortwährend auf diesen Ausdruck selbst bedacht sein, und was er sprechen will, absichtlich für ihn berechnen. Er ist somit für jede seiner Kundgebungen in der Beobachtung der formellen Regeln der Sprache befangen, und hierbei kann er noch nicht so ganz aus seinem unwillkürlichen Gefühle heraus sprechen, wie es ihm um das Herz ist, was er empfindet und was er erschaut; er muß vielmehr seine Empfindungen und Anschauungen für ihre Kundgebung selbst nach dem Ausdrucke modeln, dessen er nicht so mächtig ist wie der Muttersprache, in der er, gänzlich unbekümmert um den Ausdruck, den richtigen Ausdruck, ohne es zu wollen, von selbst findet. Jetzt hatte ich aber die Sprache der Musik vollkommen erlernt; ich hatte sie jetzt inne wie eine wirkliche Muttersprache; in dem, was ich kundzugeben hatte, durfte ich mich nicht mehr um das Formelle des Ausdruckes sorgen: er stand mir zu Gebote ganz wie ich seiner bedurfte, um eine bestimmte Anschauung oder Empfindung nach innerem Drange mitzutheilen. Eine ungewohnte Sprache spricht man ohne Mühe aber nur dann vollkommen richtig, wenn man ihren Geist in sich aufgenommen hat, wenn
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