Auswahl seiner Schriften
man in dieser Sprache selbst empfindet und denkt, und somit genau eben Das aussprechen will, was ihrem Geiste nach einzig in ihr ausgesprochen werden kann. Erst wenn wir ganz aus dem Geiste einer Sprache heraus sprechen, ganz unwillkürlich in ihm empfinden und denken, erwächst uns aber auch die Fähigkeit, diesen Geist selbst zu erweitern, das in der Sprache Auszudrückende mit dem Ausdrucke zugleich zu bereichern und auszudehnen. Das in der musikalischen Sprache Auszudrückende sind nun aber einzig Gefühle und Empfindungen : sie drückt den von unserer, zum reinen Verstandesorgan gewordenen Wortsprache abgelösten Gefühlsinhalt der rein menschlichen Sprache überhaupt in vollendeter Fülle aus. Was somit der absoluten musikalischen Sprache für sich unausdrückbar bleibt, ist die genaue Bestimmung des Gegenstandes des Gefühles und der Empfindung, an welchem diese selbst zu sicherer Bestimmtheit gelangen: die ihm nothwendige Erweiterung und Ausdehnung des musikalischen Sprachausdruckes besteht demnach im Gewinne des Vermögens, auch das Individuelle, Besondere, mit kenntlicher Schärfe zu bezeichnen, und dieses gewinnt sie nur in ihrer Vermählung mit der Wortsprache. Nur aber dann kann diese Vermählung eine erfolgreiche sein, wenn die musikalische Sprache zu allernächst an das ihr Befreundete und Verwandte der Wortsprache anknüpft; genau da hat die Verbindung vor sich zu gehen, wo in der Wortsprache selbst bereits ein unabweisliches Verlangen nach wirklichem, sinnlichem Gefühlsausdrucke sich kundgiebt. Dieß bestimmt sich aber einzig nach dem Inhalte des Auszudrückenden, inwiefern dieser aus einem Verstandes- zu einem Gefühlsinhalte wird. Ein Inhalt, der einzig dem Verstande faßlich ist, bleibt einzig auch nur der Wortsprache mittheilbar; je mehr er aber zu einem Gefühlsmomente sich ausdehnt, desto bestimmter bedarf er auch eines Ausdruckes, den ihm in entsprechender Fülle endlich nur die Tonsprache ermöglichen kann. Hiernach bestimmt sich ganz von selbst der Inhalt Dessen, was der Wort-Tondichter auszusprechen hat: es ist das von aller Konvention losgelöste Reinmenschliche .
Mit der gewonnenen Fähigkeit, in der Tonsprache frei nach meiner Unwillkür zu sprechen, konnte ich natürlich auch nur im Geiste dieser Sprache mich mitzutheilen haben, und wo es mich als künstlerischen Menschen am entscheidendsten zur Mittheilung drängte, bestimmte sich der Inhalt meiner Mittheilung nothwendig nach dem Geiste des Ausdrucksvermögens, das mir als höchstes zu eigen war. Die dichterischen Stoffe, die mich zum künstlerischen Gestalten drängten, konnten nur von der Natur sein, daß sie vor Allem mein Gefühlswesen, nicht mein Verstandeswesen einnahmen: nur das Reinmenschliche, von allem Historischformellen Losgelöste konnte mich, sobald es mir in seiner wirklichen, natürlichen und von Außen nicht getrübten Gestalt zur Erscheinung kam, zur Theilnahme stimmen, und zur Mittheilung des Erschauten anregen. Was ich erschaute, erblickte ich jetzt nur aus dem Geiste der Musik, nicht aber der Musik, deren formelle Bestimmungen mich für den Ausdruck noch befangen gehalten hätten, sondern der Musik, die ich vollkommen inne hatte, in der ich mich ausdrückte wie in einer Muttersprache. Mit diesem Vermögen konnte ich mich jetzt frei und ungehemmt nur noch auf das Auszudrückende richten; nur noch der Gegenstand des Ausdruckes war mir das für mein Gestalten Beachtenswerthe. Gerade durch die gewonnene Fähigkeit des musikalischen Ausdruckes ward ich somit Dichter , weil ich mich nicht mehr auf den Ausdruck selbst, sondern auf den Gegenstand desselben als gestaltender Künstler zu beziehen hatte. Ohne auf die Bereicherung des musikalischen Ausdrucksvermögens auszugehen, mußte ich dieses doch ganz von selbst ausdehnen durch die Gegenstände, um deren Ausdruck es mir zu thun war.
In der Natur des Fortschrittes aus dem musikalischen Empfindungswesen zur Gestaltung dichterischer Stoffe lag es nun ganz von selbst bedingt, daß ich den verschwimmenderen, allgemeineren Gefühlsinhalt dieser Stoffe zu immer deutlicherer, individuellerer Bestimmtheit verdichtete, und so endlich da ankommen mußte, wo der unmittelbar auf das Leben sich beziehende Dichter sicher und fest das durch den musikalischen Ausdruck Kundzugebende bezeichnet und von sich aus bestimmt. Wer daher aufmerksam die Bildung der drei hier vorgelegten Dichtungen betrachtet, wird finden, wie ich im »fliegenden Holländer« in weitesten, vagesten Umrissen Das
Weitere Kostenlose Bücher