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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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zeichnete, was ich im »Tannhäuser«, und endlich im »Lohengrin« mit immer deutlicherer Bestimmtheit zu sicherer Gestaltung brachte. Indem ich mich bei diesem Verfahren immer mehr auf das wirkliche Leben zu beziehen vermochte, mußte ich zu einer bestimmten Zeit, und unter bestimmten äußeren Eindrücken, endlich selbst wohl so weit kommen, daß sich mir ein dichterischer Stoff, wie der besprochene »Friedrich Rothbart«, darbot, für dessen Gestaltung ich dem musikalischen Ausdrucke geradesweges hätte entsagen müssen. Gerade hier aber war es, wo mein bisher unbewußtes Verfahren in seiner künstlerischen Nothwendigkeit mir zum Bewußtsein kommen mußte. An diesem Stoffe, der mich der Musik gänzlich vergessen gemacht hätte, ward ich der Geltung wahrer dichterischer Stoffe überhaupt inne; und da, wo ich mein musikalisches Ausdrucksvermögen unbenutzt hätte lassen müssen, fand ich auch, daß ich meine gewonnene dichterische Fähigkeit der politischen Spekulation unterzuordnen, somit meine künstlerische Natur überhaupt zu verläugnen gehabt haben würde . – Gerade hier erhielt ich aber auch die dringendste Veranlassung, über die Natur des geschichtlich-politischen Lebens dem rein menschlichen Leben gegenüber mir zum Bewußtsein zu kommen, und als ich den »Friedrich«, mit dem ich mich diesem politischen Leben am dichtesten genähert hatte, mit vollem Wissen und Willen aufgab, um desto bestimmter und gewisser in Dem, was ich wollte, den »Siegfried« vorzunehmen, hatte ich eine neue und entscheidendste Periode meiner künstlerischen und menschlichen Entwickelung angetreten, die Periode des bewußten künstlerischen Wollens auf einer vollkommen neuen, mit unbewußter Notwendigkeit von mir eingeschlagenen Bahn, auf der ich nun als Künstler und Mensch einer neuen Welt entgegenschreite. –
    Ich habe hier den Einfluß bezeichnet, den mein Innehaben des Geistes der Musik auf die Wahl meiner dichterischen Stoffe, und ihre wiederum dichterische Gestaltung ausübte; demnächst habe ich nun darzustellen, welche Rückwirkung mein auf diese Weise bestimmtes dichterisches Verfahren wiederum auf meinen musikalischen Ausdruck und dessen Form äußerte. – Dieser rückwirkende Einfluß gab sich in der Hauptsache in zwei Momenten kund: in der dramatisch-musikalischen Form überhaupt, und in der Melodie in's Besondere.
    Bestimmte mich, von dem bezeichneten Wendepunkt meiner künstlerischen Richtung an, ein- für allemal der Stoff , und zwar der mit dem Auge der Musik ersehene Stoff, so mußte ich in seiner Gestaltung nothwendig bis zur allmählichen gänzlichen Aufhebung der mir überlieferten Opernform fortschreiten. Diese Opernform war an und für sich nie eine bestimmte, das ganze Drama umfassende Form, sondern vielmehr nur ein willkürliches Konglomerat einzelner kleinerer Gesangstücksformen, die in ihrer ganz zufälligen Aneinanderreihung von Arien, Duetten, Terzetten u. s. w., mit Chören und sogenannten Ensemblestücken, in Wahrheit das Wesen der Opernform ausmachten. Bei der dichterischen Gestaltung meiner Stoffe kam es mir nun unmöglich mehr auf eine entsprechende Ausfüllung dieser vorgefundenen Formen an, sondern einzig auf eine gefühlsverständliche Darstellung des Gegenstandes im Drama überhaupt. In dem ganzen Verlaufe des Drama's sah ich keine anderen Abschnitte oder Unterscheidungen möglich, als die Akte, in welchen der Ort oder die Zeit, oder die Scenen, in welchen die Personen der Handlung wechseln. Die plastische Einheit des mythischen Stoffes brachte es nun mit sich, daß in meiner scenischen Anordnung alles kleine Detail, wie es zur Erklärung verwickelter historischer Vorfälle dem modernen Schauspieldichter unentbehrlich ist, durchaus unnöthig war, und die Kraft der Darstellung auf wenige, immer wichtige und entscheidende Momente der Entwicklung konzentrirt werden konnte. Bei diesen wenigeren Scenen, in denen jedesmal eine entscheidende Stimmung sich zur vollen Geltung zu bringen hatte, durfte ich in der Ausführung mit einer, bereits in der Anlage wohlberechneten, den Gegenstand erschöpfenden Andauer verweilen; ich war nicht genöthigt, mit Andeutungen nur mich zu begnügen, und – um der äußeren Ökonomie willen – hastig von einer Andeutung zur anderen mich zu wenden; sondern ich konnte mit der nöthigen Ruhe den einfachen Gegenstand bis in seine letzten, dem dramatischen Verständnisse klar zu erschließenden Beziehungen, deutlich darstellen. Durch die so sich bestimmende Natur des

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