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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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brechen. Die von mir gemachte Wahrnehmung der höchsten Unklarheit der streitenden Parteien über das Wesen und den eigentlichen Inhalt der Revolution, bestimmte mich eines Tages selbst öffentlich gegen die bloß politisch formelle Auffassung der Revolution, und für die Nothwendigkeit, daß der rein menschliche Kern derselben deutlich in das Auge gefaßt werde, mich auszusprechen.
Anmerkung des Herausgebers: 12) Wie unpolitisch Wagners Idee einer »Menschheitsrevolution« von allem Anfange war und wie sie im Grunde nichts anderes bedeutete, als das, was er später unter dem Begriffe der »Menschheitsregeneration« zusammenfaßte, dazu vergl. man auch Chamberlains »Richard Wagner« S. 172 ff. – Der Gebrauch des Wortes Revolution für die nötige gänzliche Umschaffung , nicht bloße Verbesserung des Theaters findet übrigens sein Gegenbild in der berühmten Stelle aus Kant, wo mit demselben Worte und aus demselben Geiste die Forderung einer völligen Umwandlung unserer Erziehungsanstalten aufgestellt wird: »Es ist vergeblich von einer allmählichen Verbesserung unserer Schulen etwas zu erwarten. Sie müssen umgeschaffen werden, wenn etwas Gutes aus ihnen entstehen soll... Nicht eine langsame Reform, sondern eine schnelle Revolution kann dieses bewirken.«
    An dem Erfolge dieses Schrittes gewahrte ich nun erst ersichtlich, wie es bei unseren Politikern um die Erkenntniß des Geistes der Revolution stand, und daß eine wirkliche Revolution nie von Oben, vom Standpunkte der erlernten Intelligenz, sondern nur von Unten, aus dem Drange des rein menschlichen Bedürfnisses, zu Stande kommen kann. Die Lüge und Heuchelei der politischen Parteien erfüllte mich mit einem Ekel, der mich zunächst wieder in die vollste Einsamkeit zurücktrieb.
    Hier verzehrte sich mein nach Außen ungestillter Drang wieder in künstlerischen Entwürfen. Zwei solcher Entwürfe, die mich bereits seit längerer Zeit beschäftigt hatten, stellten sich mir jetzt fast zugleich dar, wie sie der Eigentümlichkeit ihres Inhaltes nach mir überhaupt fast für Eins galten. Noch wahrend der musikalischen Ausführung des »Lohengrin«, bei der ich mich immer wie in einer Oase in der Wüste gefühlt hatte, bemächtigten sich beide Stoffe meiner dichterischen Phantasie: es waren dieß » Siegfried « und » Friedrich der Rothbart «. –
    Nochmals, und zum letzten Male, stellten sich mir Mythos und Geschichte gegenüber, und drängten mich dießmal sogar zu der Entscheidung, ob ich ein musikalisches Drama oder ein rezitirtes Schauspiel zu schreiben hätte. Ich habe es mir für hier aufbehalten, über den hier zu Grunde liegenden Konflikt mich genauer mitzutheilen, weil ich erst hierbei zu einer bestimmten Lösung und somit zum Bewußtsein über die Natur dieser Frage gelangte.
    Seit meiner Rückkehr aus Paris nach Deutschland, hatte mein Lieblingsstudium das des deutschen Alterthumes ausgemacht. Ich erwähnte bereits näher des damals tief mich erfüllenden Verlangens nach der Heimath. Diese Heimath konnte in ihrer gegenwärtigen Wirklichkeit mein Verlangen auf keine Weise befriedigen, und ich fühlte, daß meinem Triebe ein tieferer Drang zu Grunde lag, der in einer anderen Sehnsucht seine Nahrung haben mußte, als eben nur im Verlangen nach der modernen Heimath. Wie um ihn zu ergründen, versenkte ich mich in das urheimische Element, das uns aus den Dichtungen einer Vergangenheit entgegentritt, die uns um so wärmer und anziehender berührt, als die Gegenwart uns mit feindseliger Kälte von sich abstößt. Alle unsere Wünsche und heißen Triebe, die in Wahrheit uns in die Zukunft hinübertragen, suchen wir aus den Bildern der Vergangenheit zu sinnlicher Erkennbarkeit zu gestalten, um so für sie die Form zu gewinnen, die ihnen die moderne Gegenwart nicht verschaffen kann. In dem Streben, den Wünschen meines Herzens künstlerische Gestalt zu geben, und im Eifer, zu erforschen, was mich denn so unwiderstehlich zu dem urheimathlichen Sagenquelle hinzog, gelangte ich Schritt für Schritt in das tiefere Alterthum hinein, wo ich denn endlich zu meinem Entzücken, und zwar eben dort im höchsten Alterthume, den jugendlich schönen Menschen in der üppigsten Frische seiner Kraft antreffen sollte. Meine Studien trugen mich so durch die Dichtungen des Mittelalters hindurch bis auf den Grund des alten urdeutschen Mythos; ein Gewand nach dem anderen, das ihm die spätere Dichtung entstellend umgeworfen hatte, vermochte ich von ihm abzulösen, um ihn so endlich

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