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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Unkenntlichkeit verdeckt, daß Erfahrungen, wie wir sie dießmal gemeinschaftlich durch das Studium des »Parsifal« machten, nur der Wirkung des Aufathmens aus Wust und eines Aufleuchtens aus Dunkelheit gleichen konnten. Hier war es jetzt eben noch nicht die Erfahrung, welche uns zu einem schnellen Verständnisse verhelfen konnte, sondern die Begeisterung – die Weihe! – trat schöpferisch, für den Gewinn eines sorglich gepflegten Bewußtseins vom Richtigen ein. Dieß zeigte sich namentlich im Fortgange der wiederholten Aufführungen, deren Vorzüglichkeit nicht, wie dieß im Verlaufe der gewöhnlichen Theateraufführungen der Fall ist, durch Erkaltung der ersten Wärme sich abschwächte, sondern deutlich erkennbar zunahm. Wie in den scenisch-musikalischen Vorgängen, durfte dieß namentlich auch in der so entscheidend wichtigen, rein musikalischen Mitwirkung des Orchesters wahrgenommen werden. Waren dort mir intelligente und ergebene Freunde in aufopferndster Weise durch Dienstleistungen, wie sie sonst nur untergeordneteren Angestellten übergeben sind, zum schönen Gelingen behilflich, so zeigte es sich hier, welcher Veredelung der Anlagen für Zartsinn und Gefühlsschönheit der Vortrag deutscher Orchester-Musiker fähig ist, wenn diese der ungleich wechselnden Verwendung ihrer Fähigkeiten anhaltend sich enthoben fühlen, um bei der Lösung höherer Aufgaben verweilen zu können, an denen sie sonst nur hastig vorüber getrieben werden. Von der glücklichen Akustik seiner Aufstellung im zweckmäßigsten Verhältnisse zur deutlichen Sonorität der Gesammtwirkung mit den Sängern der Scene getragen, erreichte unser Orchester eine Schönheit und Geistigkeit des Vortrages, welche von jedem Anhörer unserer Aufführungen auf das Schmerzlichste vermißt werden, sobald er in den prunkenden Operntheatern unserer Großstädte wieder der Wirkung der rohen Anordnungen für die dort gewöhnte Orchester-Verwendung sich ausgesetzt fühlt.
    Somit konnten wir uns, auch durch die Einwirkungen der uns umschließenden akustischen wie optischen Atmosphäre auf unser ganzes Empfindungsvermögen, wie der gewohnten Welt entrückt fühlen, und das Bewußtsein hiervon trat deutlich in der bangen Mahnung an die Rückkehr in eben diese Welt zu Tage. Verdankte ja auch der »Parsifal« selbst nur der Flucht vor derselben seine Entstehung und Ausbildung! Wer kann ein Leben lang mit offenen Sinnen und freiem Herzen in diese Welt des durch Lug, Trug und Heuchelei organisirten und legalisirten Mordes und Raubes blicken, ohne zu Zeiten mit schaudervollem Ekel sich von ihr abwenden zu müssen? Wohin trifft dann sein Blick? Gar oft wohl in die Tiefe des Todes. Dem anders Berufenen und hierfür durch das Schicksal Abgesonderten erscheint dann aber wohl das wahrhaftigste Abbild der Welt selbst als Erlösung weissagende Mahnung ihrer innersten Seele, über diesem wahrtraumhaften Abbilde die wirkliche Welt des Truges selbst vergessen zu dürfen, dünkt dann der Lohn für die leidenvolle Wahrhaftigkeit, mit welcher sie eben als jammervoll von ihm erkannt worden war. Durfte er nun bei der Ausbildung jenes Abbildes selbst wieder mit Lüge und Betrug sich helfen können? Ihr alle, meine Freunde, erkanntet, daß dieß unmöglich sei, und die Wahrhaftigkeit des Vorbildes, das er euch zur Nachbildung darbot, war es eben, was auch euch die Weihe der Weltentrückung gab; denn ihr konntet nicht anders als nur in jener höheren Wahrhaftigkeit eure eigene Befriedigung suchen. Daß ihr diese auch fandet, zeigte mir die wehmuthvolle Weihe unseres Abschiedes bei der Trennung nach jenen edlen Tagen. Uns allen gab sie die Bürgschaft für ein hocherfreuliches Wiedersehen.
    Diesem gelte nun mein Gruß! –
    Venedig , 1. November 1882.

Zweite Abteilung

Eine Pilgerfahrt zu Beethoven
Anmerkung des Herausgebers: 14) Die Novelle ist das erste Stück aus der 1840/41 in Paris entstandenen Aufsatzreihe »Ein deutscher Musiker in Paris«. Wie Wagner dazu kam, diese Stücke abzufassen, erzählt er selbst in seiner »Autobiographischen Skizze« (S. 3 dieses Bändchens). Außer der »Pilgerfahrt zu Beethoven« gehören derselben Gruppe an: »Ein Ende in Paris«, »Ueber deutsches Musikwesen«, »Der Virtuos und der Künstler«, »Der Künstler und die Oeffentlichkeit«, »Rossinis ,Stabat mater«. Neuerdings sind durch Professor R. Sternfeld in der »«Deutschen Bücherei« (Bd. 64, 65) bisher nicht gesammelte Pariser Aufsätze Richard Wagners (aus dem Jahre 1841)

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