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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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in diese peinliche Nebeneinander-Stellung Mannigfaltigkeit zu bringen, gerieth man gewöhnlich auf den Einfall, sie dadurch zu variiren, daß, während eines Orchester-Zwischenspieles, die beiden Sänger einander vorbei über die Bühne gingen, und die Seiten, auf denen sie zuvor aufgestellt waren, unter sich vertauschten. Hiergegen ergab sich uns aus der Lebhaftigkeit des Dialoges selbst der zweckmäßigste Wechsel der Stellungen, da wir gefunden hatten, daß die erregteren Akzente des Schlusses einer Phrase oder Rede zu einer Bewegung des Sängers veranlaßten, welche ihn nur um etwa einen Schritt nach vorn zu führen hatte, um ihn, gleichsam den Anderen erwartungsvoll fixirend, mit halbem Rücken dem Publikum zugewendet eine Stellung nehmen zu lassen, welche ihn dem Gegenredner nun im vollen Gesichte zeigte, sobald dieser zum Beginn seiner Entgegnung etwa um einen Schritt zurücktrat, womit er in die Stellung gelangte, ohne vom Publikum abgewandt zu sein, seine Rede doch nur an den Gegner zu richten, der seitwärts, aber vor ihm stand.
    Im gleichen und ähnlichen Sinne vermochten wir eine nie gänzlich stockende scenische Bewegung, durch Vorgänge, wie sie einem Drama einzig die ihm zukommende Bedeutung als wahrhaftige Handlung wahren, in fesselnder Lebendigkeit zu erhalten, wozu das feierlich Ernsteste, wie das anmuthig Heiterste uns wechselnde Veranlassung boten.
    Diese schönen Erfolge, waren sie an und für sich nur durch die besondere Begabung aller Künstler zu gewinnen, würden jedoch unmöglich durch die hier besprochenen technischen Unordnungen und Übereinkünfte allein zu erreichen gewesen sein, wenn nicht von jeder Seite her das scenisch-musikalische Element mit gleicher Wirksamkeit sich betheiligt hatte. Im Betreff der Scene im weitesten Sinne war zuvörderst die richtige Herstellung der Kostüme und der Dekorationen unserer Sorgfalt anheim gegeben. Hier mußte viel erfunden werden, was denjenigen nicht nöthig dünkte, welche durch geschickte Zusammenstellung aller bisher in der Oper als wirksam erfundenen Effekte dem Verlangen nach unterhaltendem Prunk zu entsprechen sich gewöhnt haben. Sobald es sich um die Erfindung eines Kostümes der Blumenzaubermädchen Klingsor's handelte, trafen wir hierfür nur auf Vorlagen aus Ballet oder Maskerade: namentlich die jetzt so beliebten Hofmaskenfeste hatten unsere talentvollsten Künstler zu einer gewissen konventionellen Üppigkeit im Arrangement von Trachten verführt, deren Verwendung zu unserem Zwecke, der nur im Sinne einer idealen Natürlichkeit zu erreichen war, sich durchaus untauglich erwies. Diese Kostüme mußten in Übereinstimmung mit dem Zaubergarten Klingsor's selbst erfunden werden, und nach vielen Versuchen mußte es uns erst geglückt erscheinen, des richtigen Motives für diese, der realen Erfahrung unauffindbare Blumenmächtigkeit uns zu versichern, welche uns die Erscheinung lebender weiblicher Wesen ermöglichen sollte, die dieser zaubergewaltigen Flora wiederum wie natürlich entwachsen zu sein schienen. Mit zweien jener Blumenkelche, welche in üppiger Größe den Garten schmückten, hatten wir das Gewand des Zaubermädchens hergestellt, das nun, galt es seinen Schmuck zu vollenden, nur eine der buntbauschigen Blumen, wie sie rings her zerstreut anzutreffen waren, in kindischer Hast sich auf den Kopf zu stülpen hatte, um uns, jeder Opern-Ballet-Konvention vergessend, als das zu genügen, was hier einzig dargestellt werden sollte.
    Waren wir durchaus beflissen, dem idealen Gralstempel die höchste feierliche Würde zu geben, und konnten wir das Vorbild hierfür nur den edelsten Denkmälern der christlichen Baukunst entnehmen, so lag es uns wiederum daran, die Pracht dieses Gehäuses eines göttlichsten Heiligthumes keinesweges auf die Tracht der Gralsritter selbst übertragen zu wissen: eine edle klosterritterliche Einfachheit bekleidete die Gestalten mit malerischer Feierlichkeit, doch menschlich anmuthend. Die Bedeutung des Königs dieser Ritterschaft suchten wir in dem ursprünglichen Sinne des Wortes »König«, als des Hauptes des Geschlechtes, welches hier das zur Hut des Grales auserwählte war: durch nichts hatte er sich von den anderen Rittern zu unterscheiden, als durch die mystische Wichtigkeit der ihm allein vorbehaltenen erhabenen Funktion, sowie durch sein weithin unverstandenes Leiden. Für das Leichenbegängniß des Urkönigs Titurel hatte man uns einen pomphaften Katafalk, mit darüber von hoch herab hängender

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