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Ausweichmanöver (German Edition)

Ausweichmanöver (German Edition)

Titel: Ausweichmanöver (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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schluckte. „Meine Enkelin geht aufs Campe-Gymnasium. Da ist einiges liegen geblieben. Ich muss unbedingt Abrechnungen machen. Wenn die Leute ihr Gehalt nicht pünktlich bekommen, ist der Teufel los.“ Sie lächelte gequält.
    „Wurde Ihre Enkelin verletzt?“
    „Zum Glück nicht. Sie hatte im Hauptgebäude Unterricht und hat von der Tat selbst nichts mitbekommen. Hinterher, das war schlimm genug. Außerdem kannte sie die Schüler. Musik-AG oder so. Da sind Große und Kleine zusammen.“
    „Sie kommt bestimmt darüber hinweg.“
    „Meine Tochter wollte sie erst gar nicht wieder dahin lassen. Sie sollte zu Hause bleiben. Aber die Psychologen haben gesagt, das wäre wichtig für die Aufarbeitung.“
    Ich nickte. „Ja, je älter die Schüler sind, umso wichtiger werden die Freunde.“
    „Die haben sogar gesagt, dass die Eltern aufpassen sollen, dass sie nicht ihre eigenen Ängste auf die Kinder übertragen.“
    „Klingt plausibel.“
    „Ist aber höllisch schwierig. Sie müssen los. Vadim fährt ab.“
    Ich lief zu meinem Wagen und startete den Motor. Ein Kipplaster mit Sand fuhr vom Hof. Ich gab Gas, dachte über das Gespräch eben nach.
    Musste ich jetzt mit Herrn Gambach sprechen? Was würde er mir erzählen? Dass er die Ausschreibungsunterlagen gekauft hatte? Wohl kaum. Dass er mit der Gambach vom Autohaus verwandt war? Das würde er kaum abstreiten können. Spielte es eine Rolle, ob er der Sohn, der Enkel, der Bruder oder ein Klon war?
    Ich hatte die Verbindung hergestellt.
    Bei der nächsten Möglichkeit wendete ich und fuhr zurück nach Holzminden.
    Samstagnachmittag. Ob sie im Autohaus war? Ich musste es versuchen. Vorher rief ich noch einmal Kofis Handynummer an.

51
    Lars lief durch die Stadt, ohne bestimmtes Ziel. Er überquerte den Haarmannplatz, roch den Duft aus dem Teepavillon. In der Fußgängerzone, jede Menge Geschäfte. Menschen betraten Läden, kamen wieder heraus. Vor dem Café Lücke saßen lauter alte Damen, zum Glück waren heute keine Schüler da. Lars ging die Straße weiter hinunter, bog zum Marktplatz ab. Gelächter drang aus einem Fenster. Ein Kind lief in die ausgebreiteten Arme seiner Mutter. Eine Taube hockte auf dem Ackerbürger. Der Brunnen plätscherte. Ein Löwenzahn wuchs aus dem Sandstein. Kinder aßen Eis. Ein Mann verteilte Speisekarten auf Tischen. Die letzten Marktstände wurden abgebaut. Alles wie immer. Alles ganz normal.
    Lars wunderte sich, dass die Menschen alle so taten, als wäre nichts geschehen. Jeder ging seinen Geschäften nach, kümmerte sich um sich selbst und nicht um andere.
    Am liebsten würde er hingehen, an die Scheibe klopfen und rufen: „Kommt raus da. Gini ist verschwunden. Wir müssen sie suchen.“
    Er könnte von Tisch zu Tisch gehen und sie alle fragen: „Habt ihr Gini gesehen?“
    Auf dem Kirchplatz dachte er kurz darüber nach, ob er in die Luther-Kirche gehen und für Gini beten sollte. Vielleicht konnte er auch eine Kerze für sie anzünden. Falls es da Kerzen gab. Er war sich nicht sicher.
    Besser, er ging weiter. Bald erreichte er das Weserufer. Bilder von Wasserleichen tauchten in seinen Gedanken auf. Im richtigen Leben hatte er noch nie eine gesehen. Nur im Film. Im „Tatort“ und bei Inspector Columbo in einem Swimming Pool.
    War die Weser eine gute Wahl, wenn man eine Leiche loswerden wollte?
    Er ging weseraufwärts weiter, kam an der Jugendherberge vorbei. Irgendwann ließ er sich ins Gras fallen und weinte. Er weinte, bis er dazu zu müde war. Seine Augen brannten. Ihm tat der Bauch weh, und kühl war ihm auch.
    Es half nichts. Er durfte nicht aufgeben, musste weitersuchen. Irgendwo musste sie schließlich sein.

52
    Sebastian schloss seine Scheune sorgfältig ab. Bis nach Alfeld waren es nur noch runde zwanzig Minuten. Bestimmt hatte seine Mutter Kuchen gebacken. Er mochte besonders ihren Rhabarberkuchen mit Baiser, jetzt war Rhabarberzeit, das wusste er. Sicher gab es Rhabarberkuchen.
    Ob sie auch gern Kuchen aß? Ganz kurz schweiften seine Gedanken zu dem Mädchen in seiner Wohnung ab. Später, noch war es zu hell. Noch waren zu viele Menschen unterwegs.
    Seine Schwester mochte keinen Kuchen. Sie aß lieber was Herzhaftes. Er auch, manchmal.
    Einen Parkplatz fand er bei der Volksbank. Am Wochenende kein Problem. Von dort konnte er zur Fußgängerzone durchgehen. Seine Mutter und seine Schwester wohnten unter dem Dach. Die Wohnung war ziemlich groß für die beiden, aber im Sommer wurde es Sebastian echt zu heiß. Er verstand

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