Autoimmunerkrankungen
mögliche Auslöser für eine Fehlprogrammierung von außen kommende Einflüsse wie Infektionen, Giftstoffe wie den Tabak, falsche Ernährung und akute Stresssituationen, bestimmte Medikamente, aber auch immunologische Sondersituationen wie die Schwangerschaft.
Wissenschaftler und Ärzte machen sich natürlich ständig darüber Gedanken, wo die Ursachen für Autoimmunkrankheiten liegen. Einige grundsätzliche Überlegungen und Ergebnisse möchte ich Ihnen vorstellen:
Bei bestimmten Infektionen besitzen die Krankheitserreger eine Ähnlichkeit zu körpereigenen Strukturen. Das kann dazu führen, dass sich die gebildeten Abwehrkörper (= Antikörper) auch gegen eigenes Gewebe richten. Ein Beispiel dafür ist das rheumatische Fieber, bei dem sowohl gegen ein Eiweiß des Erregers (Streptokokken) als auch gegen ein Eiweiß der Muskulatur (Myosin) kreuzreagiert wird.
Bestimmte »Superantigene« wie das Staphylokokkeneiweiß A können eine übermäßige Anzahl von T- und B-Lymphozyten aktivieren, die für die eigentliche Abwehr gar nicht benötigt werden (zum Immunsystem s. → Seite 30 ). Der Überschuss kann sich gegen den eigenen Organismus wenden.
Auch die Veranlagung spielt eine Rolle. Bestimmte Autoimmunkrankheiten kommen in einigen Familien gehäuft vor. Ein direkter Vererbungsweg ist bisher nur für eine einzige Autoimmunkrankheit bekannt: das Autoimmun-Polyendokrinopathie-Candidiasis-Ektodermaldystrophie-Syndrom (APECED). Das Gen, das in diesem Fall defekt ist, wurde auf dem Chromosom 21 lokalisiert und als Autoimmunregulator bezeichnet. Bei dieser Erkrankung sind die Nebenniere und die Nebenschilddrüse betroffen, und es kommt zu Pilzinfektionen. Bei der Veranlagung besteht die Möglichkeit zu erkranken, Gruppen von Genen bilden ein »Risikonetz«, autoimmun zu erkranken – die Krankheit muss aber nicht auftreten.
Auch Umweltfaktoren wie Wärme, Kälte, Sonneneinstrahlung und Ernährung spielen eine Rolle bei der Ausprägung und dem Schweregrad einer Autoimmunkrankheit. Dazu gibt es heute jedoch nur wenig gesicherte Forschungsergebnisse.
Forscher des Scripps Research Institute in Kalifornien (USA) stellten eine These vor, die die derzeitig gültigen Vorstellungen über die Entstehungsmechanismen von Autoimmunerkrankungen infrage stellt: Durch den Rückgang von Infektionen, insbesondere bakteriellen, und durch die besseren hygienischen Bedingungen in den Industrieländern kommt es zu einer Unterbeschäftigung des Immunsystems. Die Abwehrzellen suchen sich neue Ziele, darunter auch körpereigene. Die dieser These zugrunde liegenden Tierexperimente wurden an Mäusen durchgeführt. Ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist bisher noch nicht geklärt.
Möglich ist auch, dass sich das Immunsystem in seiner unvorstellbaren Komplexität in der Kindheit nicht richtig ausbilden konnte.
Natürlich kann das Immunsystem auch Defekte haben und verliert dadurch die Toleranz gegenüber körpereigenen
wichtig
Für diese Vielzahl von Faktoren ist belegt, dass sie auf die Entstehung einer Autoimmunkrankheit einen Einfluss haben. Sie sind aber nicht und schon gar nicht allein die Ursache.
Immunologische Toleranz und Autoimmunität
Um 1900 erkannte Paul Ehrlich (1854–1915) erstmals das Prinzip der Immuntoleranz. Er injizierte Ziegen Schafsblut und bemerkte, dass das Immunsystem die fremden Blutzellen (Erythrozyten) sogleich vernichtete. Auch als Ehrlich später den Versuch mit artgleichen Tieren durchführte, also Ziegen das Blut anderer Ziegen spritzte, geschah das Gleiche:Das Immunsystem wehrte sich gegen die fremden Blutzellen. Erst als er eine Ziege mit ihrem eigenen Blut behandelte, blieb die Reaktion aus. Daraus schloss Ehrlich, dass das Immunsystem erkennt, was körperfremd und was körpereigen ist.
Diese Versuche waren der Ausgangspunkt für die weitere Erforschung des Immunsystems. Verglichen mit anderen Bereichen der Medizin sind die Erkenntnisse zu den Autoimmunerkrankungen daher alle jüngeren Datums. So entdeckten Deborah Doniach und Ernst Witebsky erst 1957 die ersten Autoantikörper (das sind Bestandteile des Immunsystems, die sich gegen körpereigene Strukturen wenden).
Das gesunde Immunsystem kann also zwischen »eigen« und »fremd« unterscheiden. Diese Fähigkeit nennt man Immuntoleranz. Damit diese aufrechterhalten bleibt, lernt das Immunsystem ständig. So werden beispielsweise den T-Lymphozyten im Thymus Fremdstrukturen (Antigene) und körpereigene Strukturen präsentiert, damit sie
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