AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Thema. Aber seins? Oder will er bloß höfliches Interesse für die Kinder zeigen?
»Wie geht es dir denn?«, frage ich ihn.
»ACH ich bin oft verschnupft, als wir uns trafen war ich auch ziemlich erkältet. Nasennebenhöhlenentzündung. Die ist bei mir schon chronisch. Ich habe eine Autoimmunerkrankung. Deshalb achte ich sehr darauf, dass ich mich gesund ernähre. Aber ich hatte noch was anderes und war deswegen auch bei verschiedenen Ärzten in verschiedenen Ländern.«
»Wieso? Was hattest du denn?«
»ACH ich habe ein ganzes Medizinstudium hinter mir. Es bestand da so ein Verdacht.«
»Was denn für ein Verdacht?«
»Ich dachte, ich hätte«, und jetzt hält er inne oder bleibt stehen und sagt dann völlig tonlos: »Krebs.«
»Das ist ja furchtbar!« Ich bin geschockt.
»War aber eine Fehldiagnose.«
»Eine Fehldiagnose? So eine Fehldiagnose ist ja schrecklich! Ich mein, SUPER, dass du keinen Krebs hast, aber wie kam es denn zu dieser Diagnose? Hattest du Beschwerden?«
»Nein. Eine alte Narbe hatte angefangen neues Gewebe zu bilden. Schmerzen hatte ich keine.«
»Wieso bist du denn dann nur zum Arzt gegangen?«
»Um sicher zu gehen. So eine Wucherung kann etwas Gefährliches sein. Aber ich habe keinen Krebs. Ich wollte mir das jetzt nur noch von einem letzten Arzt bestätigen lassen. Ich hatte auch schon überlegt, wie weit ich gehen würde, wenn ich’s hätte.«
»Es tut mir sehr leid, dass du das gedacht hast.«
»Jedenfalls waren das sehr turbulente vier Monate.« Er sagt auch »turbulent«, wie ich neulich, als ich die Nacht mit Flora beschrieb. War das also der Grund, weshalb ich von ihm nichts mehr gehört habe?
Unwillkürlich denke ich an Alex, den Mann einer berliner Freundin. Soll ich jetzt von ihm erzählen? Alex ist ein Hypochonder, wie er im Buche steht. Abends stellt er sich stundenlang vor den Spiegel, schaut sich an und »horcht« in sich hinein. Dann schmerzt immer irgendwas, und er setzt sich an den Computer und beginnt zu recherchieren. Dann findet er eine Krankheit, in die er sich hineinsteigert. Meine Freundin ist manchmal so wütend auf ihn, dass er wertvolle Lebenszeit mit diesem »Hobby« verplempert.
Aber mit Krebs ist nicht zu scherzen, da frage ich lieber genauer nach. Kurz denke ich daran, ob so eine falsche Selbstdiagnose nicht auch eine Art Schutzmechanismus ist, wenn einem die Anforderungen des Lebens zu viel werden.
»Wie kommst du denn mit deinem Buch zurecht?«, will ich wissen.
»Nicht so gut. Ich habe soviel Zeit mit dieser Krebsdiagnose verloren, jetzt geht mir auch langsam das Geld aus. Ich lasse es erst mal so wie es ist und versuche es bei ein paar Verlegern, die ich kenne, vorzustellen. Die verlegen aber auch nicht jeden Mist, nur weil sie einen kennen, aber ich habe wenigstens die Möglichkeit, dass sie da mal draufschauen. Meistens landen solche Einsendungen ja in der Schublade, oder werden direkt ungelesen weggeschmissen. Aber Schluss mit Jammern. Ich möchte jetzt wieder was für die Industrie tun. Da war ich auch kürzlich auf der Hannover Messe.«
»Und wenn du nur abends daran schreibst?«, schlage ich vor.
»NEE, das macht keinen Sinn.«
»Wenn dir das Buch eine Herzensangelegenheit ist, solltest du es auch zu Ende bringen. Das Vermarkten ist eigentlich genauso viel Arbeit, wie das Buch zu schreiben. Ich habe ja ein Patent, da habe ich auch schon abendelang Briefe geschrieben und natürlich auch verschickt. Aber ich bekam nur Absagen, wenigstens das. Ich muss das ganze vielleicht nochmal neu überarbeiten. Das ist etwas, das in Smartphones integriert werden könnte. Aber vielleicht sind es nicht die Hersteller die ich anschreiben sollte, sondern die Zulieferfirmen. Die Handyhersteller produzieren ja nicht alles selber.«
»ACH, du hast ein Patent? Ich habe in München beim Patentamt als Dolmetscher gearbeitet. Da ist ja das Deutsche Patentamt und auch das Internationale. Jedenfalls habe ich übersetzt und verhandelt, das sind ja meine Stärken. Wenn du mal rechtliche Fragen haben solltest, kann ich dir helfen.«
»NEE, rechtliche Fragen habe ich keine, ich bräuchte eher Hilfe bei der Vermarktung, ich suche noch nach Anwendungsmöglichkeiten, wo man es unterbringen könnte.«
»Was du brauchst, ist ein mittelständisches Unternehmen irgendwo in Süddeutschland, das sich für diese Technik begeistern könnte. Es ist nicht immer leicht so was abzugeben, aber sonst würde es nur in der Schublade liegen, und die Leistung sollte sich
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