Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Uther den Blick starr auf den Mondstein an ihrem Halse gerichtet hielt.
Was kann er nur für einen Grund haben, mich wie ein Bauer anzustarren?
dachte Igraine.
Auch Gorlois war Uthers Blick nicht entgangen. Er sagte: »Ich möchte meine Gemahlin dem König vorstellen. Ich wünsche Euch einen guten Tag, Herr Uther.« Damit drehte er sich um, ohne Uthers Antwort abzuwarten. Kaum waren sie außer Hörweite, bemerkte Gorlois: »Es gefällt mir nicht, wie er Euch ansieht, Igraine. Er ist kein Mann für eine ehrbare Frau. Haltet Euch fern von ihm.«
Igraine antwortete: »Mein Gemahl, er hat nicht mich angesehen, sondern den Schmuck an meinem Hals. Sammelt er Reichtümer?«
»Er sammelt alles«, erwiderte Gorlois knapp. Er ging so schnell weiter, daß Igraine mit ihren dünnen Schuhen auf der steinigen Straße ins Stolpern kam; aber schließlich erreichten sie die königliche Gesellschaft.
Im Kreise seiner Priester und Ratgeber wirkte Ambrosius wie ein gewöhnlicher, älterer kranker Mann, der die Frühmesse besucht hatte und jetzt nur noch an sein Frühstück dachte und an einen Platz, um sich zu setzen. Er hielt sich mit einer Hand die Seite, als habe er dort Schmerzen. Aber er lächelte Gorlois mit echter Zuneigung an, und Igraine verstand plötzlich, warum alle Edlen Britanniens ihre Streitigkeiten begraben hatten, um diesem Manne zu folgen und mit ihm die Sachsen von den Küsten zu vertreiben.
»Sieh da, Gorlois! So schnell aus Cornwall zurück? Ich hatte wenig Hoffnung, Euch vor der Ratsversammlung… oder in dieser Welt noch einmal zu sehen«, sagte der König kurzatmig mit leiser Stimme. Aber er breitete die Arme aus, Gorlois umarmte den alten Mann vorsichtig und sagte vorwurfsvoll: »Ihr seid krank, mein König. Ihr hättet das Bett nicht verlassen sollen!«
Ambrosius erwiderte mit dem Anflug eines Lächelns: »Ich fürchte, ich werde es bald genug und lange genug nicht mehr verlassen. Der Bischof gab mir den gleichen Rat und hätte mir auf meinen Wunsch die heiligen Sakramente ans Lager gebracht. Aber ich wollte mich noch einmal unter euch zeigen. Kommt, frühstückt mit mir, Gorlois, und berichtet mir, was in Eurem ruhigen Land vorgeht.«
Die beiden Männer gingen weiter. Igraine folgte ihnen und sah sich plötzlich an der Seite des stämmigen Mannes, der Uriens von Nordwales war, wie man ihr gesagt hatte. An der anderen Seite des Königs ging der schlanke, dunkelhaarige Mann mit dem scharlachroten Umhang.
Das ist also Lot von Orkney,
dachte Igraine. In der Königshalle nahm Ambrosius auf einem bequemen Stuhl Platz. Der Großkönig winkte Igraine zu sich.
»Willkommen an meinem Hof, Herzogin Igraine. Euer Gemahl berichtet mir, Ihr seid eine Tochter der Heiligen Insel.«
»So ist es, mein König«, antwortete Igraine schüchtern.
»Ich habe Ratgeber aus Eurem Volk an meinem Hof. Meinen Priestern gefällt es nicht, daß Eure Druiden ihnen gleichgestellt sind, aber ich erkläre ihnen immer wieder, Druiden und Priester dienen dem einen großen Gott, der über uns herrscht, gleichgültig, welchen Namen sie ihm auch geben. Und Weisheit bleibt Weisheit, woher sie auch kommt! Manchmal glaube ich, Eure Götter fordern weisere Männer in ihrem Dienst als unser Gott«, sagte Ambrosius lächelnd zu Igraine und fügte hinzu, »kommt, Gorlois, nehmt an meiner Seite Platz.«
Während Igraine auf der Bank mit den Kissen Platz nahm, dachte sie:
Lot von Orkney ist wie ein Hund, dem man einen Tritt gegeben hat, und der sofort wieder um die Gunst seines Herrn bettelt.
Es war sicher gut, daß Ambrosius Männer um sich hatte, die ihn verehrten. Aber liebte Lot seinen König, oder wollte er nur dem Thron nahe sein, damit seine Macht auf ihn komme? Ambrosius forderte seine Gäste höflich auf, sich von dem feinen Weizenbrot, dem Honig und dem frischen Fisch zu nehmen, der aufgetragen wurde. Aber Igraine beobachtete, daß er nur in Milch eingeweichte Brotstücke aß. Ihr entging auch der gelbe Schleier nicht, der das Weiße seiner Augen überzog. Gorlois hatte gesagt:
Ambrosius liegt im Sterben.
Igraine hatte in ihrem Leben schon genug todkranke Menschen gesehen, um zu wissen, daß er die Wahrheit sprach, und den Worten des Königs konnte man entnehmen, daß er es ebenfalls wußte.
»Ich habe Nachrichten erhalten, daß die Sachsen mit den Stämmen aus dem Norden eine Art Bündnis geschlossen haben. Es wurde ein Pferd geopfert und über seinem Blut ein Schwur gesprochen oder ähnlicher Unsinn«, begann Ambrosius. »Diesmal
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