Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Klostermauern lebten… sie zogen wie ein rotglühender Sturm durch das Land und erreichten selbst die Grenzen von Camelot… Morgause wußte nicht genau, ob das, was sie sah, sich wirklich jetzt ereignete oder in der Zukunft lag.
Sie rief in der zunehmenden Dunkelheit: »Ich möchte meine Söhne sehen, die den Gral suchen!«
Plötzlich erfüllte eine bedrückende, tiefschwarze Dunkelheit den Raum, und Morgause nahm einen merkwürdigen Brandgeruch wahr und lag, bezwungen von der gewaltigen Macht, auf den Knien. Der Rauch lichtete sich ein wenig und stieg in kleinen Wölkchen wie Wasserdampf in die Dunkelheit auf. Morgause sah in der zunehmenden Helligkeit plötzlich das Gesicht ihres jüngsten Sohnes Gareth. Er trug schmutzige und zerlumpte Kleider, aber er lächelte fröhlich wie immer, und als es heller wurde, sah Morgause, daß er Lancelot anblickte. Ah, diesen kranken und ausgezehrten Mann mit den grauen Haaren und den Spuren des Wahnsinns und des Leidens um die Augen würde Gwenhwyfar sicher nicht mehr lieben – er erinnerte sie eher an eine Vogelscheuche! Der alte Haß stieg in ihr auf. Es war unerträglich, daß ihr jüngster und bester Sohn diesen Mann verehrte und liebte. Wieso folgte er ihm immer noch wie das kleine Kind, das mit hölzernen Rittern gespielt hatte…?
»Nein, Gareth«, Lancelots leise Stimme drang durch die gedämpfte Stille des Raums, »du weißt, warum ich nicht an den Hof zurückkehren möchte. Ich will nicht von meinem Seelenfrieden sprechen, auch nicht von dem der Königin… aber ich habe geschworen, den Gral ein Jahr und einen Tag lang zu suchen.«
»Aber das ist Wahnsinn! Was zum Teufel bedeutet der Gral, wenn der König uns braucht? Ich habe ihm Treue geschworen, und du ebenfalls, als wir alle noch nichts vom Gral wußten. Wenn ich daran denke, daß unser König Artus, ohne einen einzigen seiner Getreuen am Hof, nur von Lahmen, Schwachen oder Feiglingen umgeben ist, dann frage ich mich manchmal, ob es nicht die Tat des Bösen war, der sich als Gott verkleidete, um Artus' Gefährten in alle vier Winde zu zerstreuen.«
Lancelot erwiderte ruhig: »Ich weiß, daß der Gral von Gott kam, Gareth. Versuche nicht, mir diesen Glauben zu nehmen.« Und wieder glitzerte der helle Wahnsinn kurz in seinen Augen.
Gareth antwortete, und seine Stimme klang merkwürdig bedrückt: »Aber wenn Gott so handelt wie der Teufel? Ich kann nicht glauben, daß nach Gottes Willen alles, was Artus in einem Vierteljahrhundert geschaffen hat, auf diese Weise untergehen soll. Weißt du, daß die Barbaren aus dem Norden wieder an den Küsten landen? Wenn die Menschen dort nach Artus' Legionen rufen, ist niemand da, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Auch die Sachsen ziehen wieder Truppen zusammen, und Artus sitzt müßig auf Camelot, während du auf der Suche nach deiner Seele bist… Ich flehe dich an, Lancelot. Kehre mit mir an den Hof zurück, oder mache dich wenigstens auf die Suche nach Galahad und überrede ihn, auf seinen Platz an Artus' Seite zurückzukehren. Wenn der König alt und schwach wird… und Gott verhüte, daß es je soweit kommt… dann kann dein Sohn vielleicht an seine Stelle treten. Denn alle Männer im Reich wissen, er ist Artus' erwählter Erbe und Sohn.«
»Galahad?« fragte Lancelot traurig. »Glaubst du, ich habe so viel Einfluß auf meinen Sohn? Du und alle anderen, ihr habt geschworen, den Gral ein Jahr und einen Tag lang zu suchen. Ich bin eine Zeitlang gemeinsam mit Galahad geritten und weiß, er hat an jenem Tag die Wahrheit gesprochen. Er wird, wenn es sein muß, den Gral sein Leben lang suchen…«
»Nein!« Gareth beugte sich vom Pferd und packte Lancelot bei den Schultern. »Du mußt ihm die Augen öffnen, Lancelot. Er muß um jeden Preis nach Camelot zurückkehren. Ach, Gwydion würde mich einen Verräter am eigenen Blut nennen. Ich liebe Gwydion wirklich, aber… aber wie kann ich das selbst dir, meinem Vetter und Herzensbruder sagen? Ich fürchte mich vor der Macht, die er über unseren König hat! Die Sachsen, die an Artus' Hof kommen, verhandeln nur mit ihm. Sie halten ihn für den Sohn von Artus' Schwester und… vielleicht weißt du das nicht… bei ihnen gilt der Sohn der Schwester als Erbe…«
Lancelot erwiderte freundlich lächelnd: »Erinnere dich, Gareth. So war es auch bei den Stämmen, ehe die Römer kamen. Du und ich, wir sind keine Römer.«
»Aber willst du nicht für das Recht deines Sohnes kämpfen?« fragte Gareth.
»Artus muß entscheiden, wer ihm auf
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