Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Sommerland wie eine Stecknadel suchen? Oder müssen wir die ganze Nacht auf dieser Straße hin- und herreiten? Wenn wir schon nicht die Lichter von Camelot in der Dunkelheit sehen, dann müßten wir doch wenigstens etwas von den hundert Rittern, Dienstboten, Pferden und Rindern der Burg hören. Artus' Männer bewachen die Straßen in der Umgebung… von seinen Wachtürmen wird doch alles beobachtet, was sich auf der Straße bewegt!«
Aber am Ende blieb ihnen keine andere Wahl, als Laternen zu entzünden und wieder in Richtung Süden zu reiten. Morgause ritt diesmal neben Cormac an der Spitze des Zuges. Nebel und Regen schienen jedes Geräusch zu verschlucken, selbst das Echo, und schließlich fanden sie sich wieder vor der zerfallenen Römischen Mauer, an der sie schon einmal kehrtgemacht hatten.
Cormac fluchte, schien sich aber auch zu ängstigen. »Herrin, ich kann es nicht verstehen. Es tut mir leid…«
»Zum Teufel mit euch allen!« fauchte Morgause. »Sollen wir die ganze Nacht im Sattel sitzen?« Aber auch sie erkannte die Überreste der Mauer wieder. Verzweifelt und resigniert holte sie tief Luft. »Vielleicht hat der Regen morgen aufgehört, und wenn es sein muß, können wir wieder zur Römischen Straße zurückreiten. Zumindest werden wir wissen, wohin wir gekommen sind!«
»Wenn wir wirklich irgendwohin gekommen sind und nicht im Feenreich umherirren«, murmelte eine der Hofdamen und bekreuzigte sich abergläubisch. Morgause sah es, sagte aber nur: »Kein Wort mehr! Es ist schlimm genug, daß wir uns im Regen und Nebel verirrt haben. Erspart uns solchen Unsinn! Also, warum steht ihr alle hier herum? Wir können heute abend nicht weiterreiten. Schlagt schnell das Lager auf. Morgen früh werden wir wissen, was wir tun müssen.«
Sie hatte eigentlich Cormac zu sich rufen wollen, um wenigstens der Furcht zu entgehen, die sie beschlich… waren sie wirklich außerhalb der Welt und in das Unbekannte Land geraten? Aber sie unterließ es. Schlaflos lag sie unruhig bei ihren Frauen und ging im Geist noch einmal die Stationen ihrer Reise zurück. Kein Geräusch war in der Nacht zu hören, selbst die Frösche in den Sümpfen schwiegen.
Man konnte unmöglich die Stadt Camelot verfehlen, und doch hatte sie sich in nichts aufgelöst.
Oder war sie mit all ihren Männern, den Hofdamen und den Pferden in die Welt der Magie entschwunden?
Jedesmal, wenn ihre Gedanken diesen Punkt erreichten, wünschte sie, sie hätte Cormac nicht im Zorn die Nachtwache übertragen. Mit ihm an ihrer Seite hätte sie nicht dieses erschreckende Gefühl, die Welt sei aus den Angeln geraten… Wieder und wieder versuchte sie einzuschlafen. Aber sie starrte nur hellwach in die Dunkelheit. Im Laufe der Nacht hörte es auf zu regnen. Als es hell wurde, wölbte sich ein wolkenloser Himmel über ihnen, obwohl überall Dunstschleier aufstiegen. Morgause erwachte aus einem unruhigen Schlummer. Im Traum hatte sie eine alte und grauhaarige Morgaine gesehen, die in einen Spiegel blickte, der ihrem eigenen glich. Morgause verließ den Pavillon in der Hoffnung, den Hügel von Camelot zu sehen, und die breite Straße, die zu den Türmen und Zinnen von Artus' Burg hinaufführte. Vielleicht waren sie auch auf einer unbekannten Straße und meilenweit von ihrem Ziel entfernt? Aber ihr Lager stand bei der zerfallenen Römischen Mauer. Morgause wußte, sie befanden sich etwa eine Meile südlich von Camelot, und während der Trupp sich marschbereit machte, blickte sie noch einmal hinauf zu dem Hügel, auf dem Camelot liegen mußte. Aber sie sah nur sanfte grüne Wiesen.
Langsam ritten sie die aufgeweichte Straße nach Norden, auf der sie die halbe Nacht hin- und hergeritten waren. Auf einem Feld weidete eine Schafherde. Aber als Morgause mit dem Hirten sprechen wollte, versteckte der Mann sich hinter einem Felsen und kam nicht wieder zum Vorschein.
»Ist dies König Artus' Frieden?« wunderte sich Morgause laut.
»Ich glaube, meine Herrin«, erklärte Cormac ehrerbietig, »hier muß ein Zauber am Werk sein… was es auch sein mag, Camelot finden wir hier nicht.«
»Aber was sonst, in Gottes Namen?« fragte Morgause. Er murmelte nur: »Ja was, in Gottes Namen?« und fand auch keine Erklärung.
Morgause blickte wieder den Hügel empor und hörte hinter sich das ängstliche Gejammer einer Hofdame. Einen Augenblick lang schien sie Viviane zu hören, und sie sagte etwas, woran Morgause nie richtig geglaubt hatte – Avalon sei im Nebel entschwunden, und wenn
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