Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Ihr von mir, Königin der Dunkelheit?«
»Berichte mir vom Hof. Wie geht es der Königin?«
»Seit Lancelot uns verlassen hat, ist sie viel allein. Aber sie bittet oft den jungen Gwydion zu sich. Man hat sie sagen hören, er sei der Sohn, den sie nie bekommen konnte. Ich glaube, sie hat vergessen, daß Königin Morgaine seine Mutter ist«, sagte das Mädchen, und seine gepflegte Sprache schien überhaupt nicht mit dem leeren Blick und den rauhen Händen der Küchenmagd in ihrem groben Gewand übereinzustimmen.
»Gibst du ihr vor dem Schlafengehen immer noch die Medizin in den Wein?«
»Es ist nicht mehr nötig, meine Königin«, erklärte die fremde Stimme, die aus und hinter der Magd sprach. »Die Blutungen der Königin haben seit mehr als einem Jahr ausgesetzt. Deshalb gebe ich ihr die Medizin nicht mehr. Außerdem kommt der König nur noch selten in ihr Bett.«
Damit konnte Morgause endlich auch ihre letzte Befürchtung begraben. Das Wunder, daß Gwenhwyfar noch im hohen Alter ein Kind bekam, konnte sich nicht mehr ereignen. Gwydions Platz am Hof war nicht zu gefährden. Und die Untertanen des Königs würden niemals ein Kind als Nachfolger Artus' hinnehmen. Außerdem würde Gwydion einen unerwünschten kleinen Rivalen ohne Skrupel aus dem Weg räumen. Aber natürlich war es besser, nichts zu riskieren. Schließlich hatte Artus alle ihre und Lots Anschläge überlebt und war zum König gekrönt worden.
Ich habe zu lange gewartet. Lot hätte schon vor vielen Jahren König von Britannien sein können und ich seine Königin. Jetzt gibt es niemanden, um mich aufzuhalten. Viviane lebt nicht mehr, und Morgaine ist alt. Gwydion wird mich zur Königin machen. Ich bin die einzige Frau, auf deren Rat er hört.
»Wie geht es dem edlen Mordred, Morag? Vertrauen ihm die Königin und der König?«
Die Stimme klang jetzt belegt und undeutlich: »Ich kann nicht bleiben… Mordred ist oft in Gesellschaft des Königs… einmal hörte ich, wie der König zu ihm sagte…
oh, mir dröhnt der Kopf. Was mache ich hier am Feuer? Die Köchin wird mir die Haut bei lebendigem Leib abziehen
…«, Becca sprach langsam und schwerfällig; und Morgause wußte, im fernen Camelot war Morag in einen merkwürdigen Traum
zurückgesunken, in dem sie vor der Königin von Lothian oder der Königin der Feen stand…
Morgause griff nach der Schale mit dem Blut und schüttete die letzten Tropfen in die Flammen. »Morag! Morag! Höre mich! Ich befehle dir zu bleiben!«
»Meine Königin«, hörte sie die ferne gepflegte Stimme, »der edle Mordred ist immer in Gesellschaft einer der Damen der Herrin vom See. Man sagt, daß sie auch mit Artus verwandt ist…«
Niniane, Taliesins Tochter,
dachte Morgause.
Ich wußte nicht, daß sie Avalon verlassen hat. Aber natürlich, warum sollte sie dort jetzt noch bleiben?
»Der edle Mordred ist für die Zeit von Lancelots Abwesenheit zum Obersten der königlichen Reiterei ernannt worden. Es gibt Gerüchte…
O je, das Feuer… Herrin, wollt Ihr die ganze Burg in Brand setzen?«
Becca rieb sich jammernd die Augen. Morgause versetzte ihr wütend einen heftigen Stoß, und das Mädchen fiel aufschreiend in die Flammen. Aber der Bann ließ sie nicht los, sie konnte sich nicht befreien.
»Verflucht! Sie wird das ganze Haus aufwecken!« Morgause wollte sie aus dem Feuer ziehen, aber ihr Gewand stand bereits in Flammen, und die Entsetzensschreie trafen Morgauses Ohren wie rotglühende Nadeln. Mit einer Spur Mitleid dachte Morgause:
Armes Mädchen. Ihr ist nicht mehr zu helfen … sie würde ohnedies an ihren Brandwunden sterben!
Sie zerrte die schreiende und sich wehrende Magd aus dem Feuer, ohne darauf zu achten, daß sie sich dabei selbst an den Händen verbrannte, drückte sie einen Augenblick an sich, legte ihr den Kopf an die Stirn, wie um sie zu beruhigen, und dann – durchtrennte sie ihr mit einem einzigen Schnitt die Kehle. Das Blut spritzte ins Feuer, und dicker Rauch stieg auf.
Morgause erbebte unter der unerwarteten Macht. Sie schien sich in dem Raum auszubreiten, dann durch Lothian, und schließlich durch die ganze Welt… Soviel hatte sie noch nie gewagt, aber nun kam es ungewollt über sie. Morgause schwebte körperlos über dem Land.
Nach all den langen Jahren des Friedens zogen wieder Truppen über die Straßen. An der Westküste landeten langhaarige Männer mit Bärten in Drachenschiffen. Sie plünderten und verwüsteten die Städte, zerstörten Klöster und verschleppten Frauen, die hinter
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