Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
hatte seit Monaten ein Auge auf ihn geworfen. Er hieß Cormac und war groß und jung. Er hatte breite Schultern, kräftige Schenkel und ein scharfgeschnittenes Gesicht. Aber im Augenblick schien es Morgause, als seien alle Männer mit Dummheit geschlagen. Sie hätte Cormac besser zu Hause gelassen und den Trupp selbst angeführt. Doch es gab Dinge, die selbst die Königin von Lothian nicht tun konnte.
»Ich kenne diese Straßen alle nicht. Aber nach der Strecke, die wir heute geritten sind, müssen wir eigentlich schon in der Nähe von Camelot sein… es sei denn, du hast im Nebel den Weg verloren, und wir reiten wieder nach Norden.«
Unter anderen Bedingungen hätte sie nichts gegen eine weitere Nacht unterwegs einzuwenden gehabt. Ihr Pavillon bot alle Bequemlichkeiten, die sie brauchte. Und wenn ihre Hofdamen schliefen, konnte dieser Cormac vielleicht in ihr Bett kommen und sie wärmen.
Seit ich den Schlüssel zur Zauberei gefunden habe, liegen mir alle Männer zu Füßen. Aber jetzt, so scheint mir, liegt mir nichts mehr an ihnen… Wie merkwürdig, seit ich von Lamoraks Tod erfuhr, habe ich mir keinen Mann mehr gesucht. Werde ich vielleicht alt?
Der Gedanke erschreckte sie, und sie beschloß, Cormac heute nacht zu sich zu rufen… Aber zuerst mußten sie Camelot erreichen. Sie mußte handeln, um Gwydions Ansprüche zu schützen und ihn zu beraten. Deshalb erklärte sie ungeduldig: »Das hier muß die Straße sein, du Dummkopf! Ich habe diese Reise schon unzählige Male gemacht! Hältst du mich etwa für töricht?«
»Gott bewahre, Herrin. Auch ich bin diese Straße schon oft geritten. Aber irgendwie scheinen wir uns verirrt zu haben«, erwiderte Cormac, und Morgause glaubte, an ihrer Verzweiflung ersticken zu müssen. Sie führte sich noch einmal den Weg vor Augen, den sie schon so oft von Lothian aus genommen hatte. Sie verließen die Römische Straße und ritten am Rand der Sümpfe auf dem belebten Weg, der zur Dracheninsel führte. Dann folgten sie dem Bergrücken, bis sie die Straße nach Camelot erreichten. Artus hatte sie verbreitern und befestigen lassen, und sie war inzwischen beinahe so gut wie die alte Römische Straße.
»Irgendwie hast du die Straße nach Camelot verpaßt, du Dummkopf. Denn dort sehe ich Überreste der alten Römischen Mauer… Ich glaube, wir sind eine halbe Stunde über die Kreuzung von Camelot hinausgeritten«, schimpfte Morgause. Es half nichts, der ganze Trupp mußte umkehren, und es wurde bereits dunkel. Morgause zog sich die Kapuze über den Kopf und trieb ihr ermüdetes Pferd durch die graue, düstere Dämmerung. Zu dieser Jahreszeit sollte die Sonne eigentlich eine Stunde später untergehen. Aber im Westen war nur noch ein schwacher Lichtschein auszumachen.
»Hier ist es«, erklärte eine ihrer Hofdamen. »Seht Ihr die vier Apfelbäume? Ich war einmal im Sommer hier, um Pfropfreiser für die Bäume im königlichen Garten zu holen.«
Aber sie konnten keine Straße entdecken. Nur ein schmaler Pfad wand sich einen kahlen Hügel empor, obwohl hier eine breite Straße sein sollte und man selbst im Nebel die Lichter von Camelot hätte sehen müssen.
»Unsinn«, entgegnete Morgause unwirsch. »Wir sind irgendwie vom Weg abgekommen… Wollt Ihr mir erzählen, daß in Artus' Reich nur an einer Stelle vier Apfelbäume zusammenstehen?«
»Ich schwöre, hier müßte die Straße sein«, murmelte Cormac verdrießlich. Aber er setzte Reiter, Pferde und Packtiere wieder in Bewegung, und sie schleppten sich unter dem Regen dahin, der auf sie niederprasselte, als regne es seit Anbeginn der Zeiten und könne nicht mehr aufhören. Die frierende und müde Morgause sehnte sich nach dem warmen Abendessen an Gwenhwyfars Tafel und träumte von heißem gewürztem Wein und einem weichen Bett.
Als Cormac sich wieder bei ihr zeigte, erkundigte sie sich verärgert: »Was ist denn nun wieder los, du Schwachkopf? Ist es dir gelungen, noch einmal eine breite Straße zu verfehlen, auf der zwei Wagen nebeneinander fahren können, und uns von neuem in die Irre zu führen?«
»Meine Königin, ich bedaure, aber irgendwie… Seht Ihr, wir haben wieder die Stelle erreicht, an der wir rasteten, nachdem wir die Römische Straße verließen… mit diesem Stoffetzen hier habe ich den Schmutz von den Packstücken gewischt.«
Morgause konnte sich nicht länger beherrschen. »Warum muß ich mich mit lauter Hohlköpfen umgeben?« schrie sie. »Müssen wir die größte Stadt nördlich von Londinium im ganzen
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