AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
sogar ein paar Takte eines unanständigen Gassenhauers vor sich hin, während sie auf die prächtigen Gebäude am gegenüberliegenden Ufer zuglitten. Der Dunst hatte sich aufgelöst und die rosigen und gelben Fassaden hoben sich leuchtend von den grauen Felsen ab. Ninian hegte allerdings den Verdacht, dass er nur deshalb zufrieden war, weil er den Bootsverleiher übers Ohr gehauen hatte.
Der Wirt hatte nicht recht gewusst, was er von den jungen Kaminfegern halten sollte, die am Morgen zu recht später Stunde in der Gaststube erschienen waren. Ihre Genossen waren schon lange über den See an ihre Arbeit gefahren, doch die beiden verlangten ein reichliches Frühstück und verzehrten es in aller Ruhe.
Als sie fertig waren, schlenderte der Größere an den Schanktisch und unterbrach rüde das Gespräch des Wirts mit dem Bürgermeister über die leidige Straßensteuer.
»Guter Mann, wir brauchen ein Boot und jemanden, der uns übersetzt.« Worte und Klang waren die eines großen Herrn und der Wirt, ein geachteter Mann in Neri, sah entrüstet auf. Doch statt den Burschen barsch zurecht zu weisen, hörte er sich höflich Bescheid geben:
»Freilich, ihr könnt’s einen Kahn bei mei’m Schwager leihn, er ist Fischer drunten am See. Er möcht euch einen gutn Preis machen und sei Bub möcht euch ’nüberrudern, wenn ihr’s nicht selbst vermögt.«
Der Kaminfeger dankte mit herablassender Höflichkeit und ließ die beiden erstaunten Männer stehen.
Die beiden schwarzgekleideten Gesellen ganz richtig für Neulinge haltend, hatte der Schwager des Wirts in aller Unschuld ein Entgelt verlangt, das den alten Hasen unter den Handwerkern ein höhnisches Lachen entlockt hätte. Keine Miene verzog er, als der eine Gimpel ohne weiteres seine Börse herauszog und die Münzen in seine Hand zählte.
Auf die Frage, ob der Junge sie über den See rudern könne, schüttelte der Fischer allerdings bedauernd den Kopf.
»Na, den brauch i selbst, der muss Netze flickn.«
Der Kaminfeger zuckte die Schultern und steckte die Börse weg.
»Meint Ihr die dort drüben?«
Unwillkürlich folgte der Blick des Fischers der ausgestreckten Hand und verfing sich in den aufgespannten Schnüren. Die Sonne war ein ganzes Stück weitergewanderte, als er sich aus der Verstrickung lösen konnte und da schaukelte sein Boot schon weit draußen auf den glitzernden Wellen, angetrieben von den kräftigen Ruderschlägen seines Sohnes. Auf seiner schwieligen Handfläche aber schimmerte nicht Silber, wie er es verlangt hatte, sondern ein paar abgegriffene Kupferlinge, und kopfschüttelnd fragte er sich, wer hier der Gimpel gewesen war.
Der Junge, froh darüber, der mühsamen, eintönigen Arbeit an den Netzen entkommen zu sein, legte sich mächtig ins Zeug. Die Handwerker aus Dea gehörten zwar nicht zu den Freigiebigsten, das wusste er aus Erfahrung, aber diese beiden schienen ihm, gelinde gesagt, ein wenig ungewöhnlich. Vielleicht war ihm das Glück an diesem Tage hold und er strich ein schönes Handgeld ein. Verstohlen schielte er zu ihnen hinüber. Trotz des Sonnenscheins hatten sie ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und sprachen nur flüsternd miteinander. Zu ihm hatte nur der größere geredet, recht freundlich zwar, aber der Junge hatte ohne zu zögern gehorcht.
Jermyn hatte sich in der Tat für den Augenblick mit seinem Schicksal abgefunden. Er hatte dem Tölpel von Fischer eins ausgewischt und wenn er auch unbehaglich dicht über der glitzernden Wasserfläche saß, so war doch die sanft schaukelnde Bewegung des Bootes nicht so beängstigend, wie er befürchtet hatte. Der Junge schien zu wissen, was er tat. Ohne sichtbare Anstrengung handhabte er die Riemen, wie Ninian die beiden Bretter genannt hatte.
Jermyns Blick streifte ihr Gesicht, das sich hell von der schwarzen Kapuze abhob und in eifriger Erwartung nach vorne gerichtet war. Es war süß wie lange nicht gewesen, heute Nacht und in der Früh ...
Er musste sich zusammennehmen, um den anderen Kaminfeger nicht zu liebkosen, das würde das ruhige Dahingleiten des Bootes bestimmt gefährden. Lieber richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Häuser, die näher und näher aus dem Blau des Sees heranschaukelten. Sie sahen vielversprechend aus, das musste er zugeben
»Wo wollt’s denn hin?«
Sie fuhren zusammen.
»Zur Villa d’Este ... zu den Gobbi«, sagten sie gleichzeitig. Der Junge riss die Augen auf, doch zum Glück war es nicht ihre Unentschiedenheit, die ihn überraschte.
»Zu die
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