AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
zurück.
»Ach ja, wenn man an einer senkrechten Wand hängt? Komm, Jermyn, sei kein Feig ...«
Er fuhr herum.
»Sag es nicht!«
Das Lachen verschwand aus ihrem Gesicht, er las Enttäuschung und Vorwurf in ihren hellen Augen und wusste, dass sie recht hatte. Aber er sah auch ihre schlanke, weiße Nacktheit, die nassen Locken klebten an ihrem Gesicht, ringelten sich über ihre Schultern. Er kam zurück, bis er dicht vor ihr stand. Trotzig erwiderte sie seinen Blick. Wassertropfen glitzerten in ihren Wimpern, von der Kälte steife Brustwarzen streiften seine Brust.
»Na, gut,« murmelte er und zog sie an sich, »wir machen weiter, aber erst wärmen wir uns ein bisschen auf ...«
Sie sträubte sich nicht, die kühlen, festen Lippen wurden unter seinem Mund heiß und nachgiebig und sie stolperten hastig in den Schatten der Bäume.
Nachher übten sie weiter, bis sie blau angelaufen waren und ihre Zähne aufeinanderschlugen. Jermyn konnte sich leidlich über Wasser halten, dennoch war es klar, dass er keine langen Strecken schwimmen konnte.
»Wir sollten ein Boot kaufen und es hier liegenlassen. Dann können wir kommen und gehen, ohne dass jemand etwas merkt«, überlegte Ninian, nachdem sie sich wieder angezogen hatten und auf den weißen Kieselsteinen in der Sonne saßen. Jermyn blinzelte zu ihr hoch, er hatte sich ausgestreckt und den Kopf in ihren Schoß gelegt.
»Sehr schön, und wer rudert?«
»Ich. Ich kann rudern und außerdem ...«
»... ist es nicht schwer und du kannst es mir beibringen«, er seufzte übertrieben. »Du kommst hier wirklich auf deine Kosten, was?«
Sie kicherte und zog sanft an seinem Zopf.
»Du auch, mein Lieber«, flüsterte sie und beugte sich zu ihm hinunter. »Denk an die fette Beute, die wir hier machen werden.«
»Warten wir’s ab«, murmelte er undeutlich.
Als sie schließlich aufbrachen, um ins Dorf zurückzukehren, trat Ninian noch einmal an den Rand des Wassers.
Die Abendsonne verwandelte den See in geschmolzenes Gold, die Häuser des Dorfes Neri waren rosig überhaucht, sie konnte die leuchtende Fassade des Gasthofes auf dem Scheitelpunkt der Straße erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite schimmerten die Villen, aufgereiht wie Perlen, aber als sie die Augen gegen die untergehende Sonne abschirmte, sah sie in der Ferne zwei Felsnadeln schwarz in den blaugrünen Abendhimmel ragen. Dahinter erhoben sich dunkel bewachsene Steilhänge, bekrönt von grauem Gestein. Ihr Herz schlug schneller, dort begann die Wildnis, nach der sie sich gesehnt hatte. Morgen würden sie ein Boot für sich haben und jenes ferne, lockende Ufer erkunden.
Der Weg zurück ins Dorf zog sich hin und die ersten Sterne blinkten an dem klaren, wolkenlosen Himmel, als sie endlich das Gasthaus erreichten. Sie waren beide ausgehungert, ein kleiner Laib Brot und eine Handvoll Oliven, die sie am Mittag einer Bäuerin abgekauft und im Laufen verzehrt hatten, waren ihre einzige Mahlzeit gewesen.
Die Gaststube war gut gefüllt, aber an den langen Tischen saßen vor allem Einheimische, kein Städter war unter ihnen. Sie wählten einen kleinen Tisch im Schatten eines Pfeilers und Jermyn schob seine Kapuze zurück. Ninian sah neidvoll zu, sie hatte ihr Haar nicht der Schere opfern wollen. Jermyn heftete seinen Blick auf den Hinterkopf des Wirts. Als der Mann sich wie von einer Leine gezogen umdrehte, schnippte er ihn gebieterisch heran.
»Was gibt’s zu essen, Meister?«
Der Wirt blinzelte. »F...für d’ Handwerker gab’s a Suppn und an Sterz, aber ob no’ was übrig is, woaß i net«, stotterte er.
»Oh, macht Euch keine Vorwürfe, wir nehmen gern mit etwas anderem vorlieb«, erwidere Jermyn großzügig, »was könnt Ihr uns anbieten?«
Der Wirt starrte den jungen Mann an, der sich mit ausgestreckten Beinen in seinem Stuhl räkelte und versuchte vergeblich, die unverschämte Haltung mit dem schlichten Gewerbe eines Kaminfegers zusammenzubringen.
»Da möcht noch kalter Braten sein und Senfgemüs«, hörte er sich zu seiner Überraschung sagen, »ein halbes Dutzend Krebs und, grad fällt’s mir ein, die Frau hat eine Taubenpastete gebacken, mit Mandeln.«
»Das klingt nicht schlecht«, der junge Mann nickte beifällig, »bring alles her.«
Sein Gefährte, dessen helles, mädchenhaftes Gesicht unter der Kapuze kaum zu sehen war, flüsterte ihm etwas zu.
»Mein Genosse fragt, ob Ihr auch eine süße Speise auftischen könnt. Er ist ein Leckermaul, müsst Ihr wissen.«
Er wich einem Knuff des
Weitere Kostenlose Bücher