Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Richtung Tür, dann wendet er sich sofort von mir ab. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich zurück durch die Menge zur Kasse zu drängeln.
»Einen latte macchiato und ein panini «, sage ich noch einmal. Der Junge an der Kasse blickt mich fragend an.
»Es heißt panino . Und latte macchiato? Sind Sie sicher?«
»Ja, bitte.« Leicht irritiert laufe ich mit meinem Bon zum Tresen zurück und drücke ihn dem barista in die Hand.
Ach, und könnte ich den Kaffee zum Mitnehmen bekommen? Da portare via? «, bitte ich ihn zögerlich. Der barista dreht sich mit hochgezogener Augenbraue leicht kopfschüttelnd zur Espressomaschine um. Nachdem er ein paar Hebel betätigt hat, knallt er mir mit spöttischem Gesichtsausdruck einen Plastikbecher vor die Nase. Die braune Flüssigkeit schwappt über den Becherrand und läuft am Tresen hinunter. Ich nehme einen schnellen Schluck, um zu testen, ob der Kaffee in Italien tatsächlich so vorzüglich ist, wie immer behauptet wird. Er schmeckt ziemlich fad.
»Da ist aber sehr wenig Espresso drin.«
»Sie wollten doch unbedingt latte macchiato! Ecco! Das ist latte macchiato! Das trinkt man, wenn man erkältet ist, so wie in anderen Ländern heiße Milch mit Honig. Der Name sagt es doch schon. Es ist vor allem Milch. Mit einem Schuss caffè . Capisci?« Dann lässt er sich doch noch zu einem Lächeln herab. » Di dove sei? Woher kommst du?«
»Aus Deutschland«, antworte ich.
»Ach, ihr Deutschen mit eurem latte macchiato! Ihr Milchtrinker!« Seufzend gießt er mir einen weiteren Espresso in meinen Becher. »Hier trinkt man cappuccino. Am Tresen und nur vormittags.« Mit einer Handbewegung beendet er das Gespräch und wendet sich den anderen Gästen zu. »Ihr Deutschen« – wie abfällig er das sagte! Als ob die Tatsache, dass ich zur falschen Uhrzeit den falschen Kaffee bestelle, ein Kapitalverbrechen ist. Ich beiße herzhaft in mein panino , endlich ein bisschen italienisches Flair!
Eine halbe Stunde später erreiche ich Mailand. Milano, die Stadt der Mode, scheint auf den ersten Blick wenig glamourös. Langsam durchquere ich die Peripherie, ein grauer Gürtel der Trostlosigkeit. An vielen Häusern bröckelt der Putz großflächig von den Wänden, wodurch der Begriff »Altbau« eine ganz neue Bedeutung bekommt. Angesichts des Hangs zur Ästhetik, den man den Italienern allgemein unterstellt, bin ich überrascht,ass sich auch die Fassade meines Hotels unauffällig in die renovierungsbedürftigen Häuserzeilen einreiht. Dabei habe ich mir doch, um mir zum Reiseauftakt etwas zu gönnen, ein schickes Vier-Sterne- albergo gebucht. Von »Design« war die Rede, von luxuriöser Ausstattung und Spa-Bereich. Stattdessen: ein alter, riesiger Betonklotz direkt gegenüber der Stazione di Milano Centrale , dem Hauptbahnhof. Das Gebäude wirkt, als sei ein alter Versicherungskomplex übereilt in ein Hotel umgewandelt worden. Im Schritttempo fahre ich an dem Eingang vorbei, als hinter mir schon wieder ein Hup-Crescendo ertönt. Das laute Getöse treibt mich an, fast gerate ich in Panik, entdecke aber in diesem Moment einen öffentlichen Parkplatz. Schwungvoll biege ich in die Einfahrt. Als ich meinen Kleinwagen rückwärts in einer Parklücke platzieren will, klopft jemand hektisch an meine Seitenscheibe. Ein italienischer signore , ungefähr in meinem Alter, mit schulterlangen schwarzen Locken bedeutet mir, das Fenster herunterzukurbeln. Er trägt einen Brustbeutel um den Hals, der auf seiner orangefarbenen Warnweste, die er über seinen speckigen Anorak gezogen hat, hin und her baumelt.
»Ciao bella!«, ruft er mir entgegen und fängt sofort an, auf mich einzureden. Ich verstehe nur Bruchstücke.
» Scusi? Könnten Sie ein bisschen langsamer sprechen? Ich bin Ausländerin«, antworte ich zögerlich auf Italienisch, das angesichts meines Intensivkurses, den ich in den Wochen vor meiner Abreise in der Mittagspause absolviert habe, gar nicht so schlecht ist.
»Oh, du sprichst Italienisch. Das macht dich noch viel schöner. Du bist wirklich toll!« Argwöhnisch sehe ich ihn an. Solche Begrüßungen bin ich aus Deutschland nicht gewohnt. Erst recht nicht von einem Parkwächter.
»Danke«, entgegne ich leicht entwaffnet. In Italien wissen die Männer halt, dass inflationär verteilte Komplimente der Schlüssel zum Herzen einer Frau sind.
Willst du bleiben? Dann park bei mir. Ich nehme deinen Wagen gern unter meine Fittiche. Hier ist er in guten Händen. Wie lange?«
»Zwei Tage? Mein Hotel
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